Gefahr für Aigner: Grüne Töchter greifen an

Sie sind aus prominenten CSU-Familien, machen Politik für die Grünen und umzingeln die schwarze Kronprinzessin Ilse Aigner: Das Amazonen-Duo Claudia Stamm und Ursula Zeitlmann
MÜNCHEN/ROSENHEIM So hatte sich Seehofers neue Kronprinzessin Ilse Aigner (47) das wohl nicht vorgestellt. In Oberbayern umzingeln sie zwei Grüne-Frauen, die prominente CSU-Töchter sind. Claudia Stamm (42), deren Mutter CSU-Landtagspräsidentin und stellvertretende Parteivorsitzende ist, kandidiert in Rosenheim für den Landtag. Ursula Zeitlmann (43), Tochter des langjährigen CSU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Zeitlmann (72), tritt dort für den Bundestag an. In Berlin ist ihre Stiefmutter Gerda Hasselfeldt (62) als Landesgruppenchefin der CSU eine der einflussreichsten Frauen. In den beiden CSU–Familien wird schon Schwarz-Grün praktiziert.
Ilse Aigner, die in Feldkirchen-Westerham im Landkreis Rosenheim daheim ist, spielt den Angriff der Grünen herunter: „Sie haben einen gewissen Bekanntheitsgrad. Aber ob der sich eins zu eins in Stimmen umwandeln lässt, glaube ich nicht. Noch dazu, wo die beiden bei einer anderen Partei sind.“
Dass zwei schwarze Töchter lieber grüne Politik machen, findet sie ganz normal. „Es gibt ja kein Gedankengut das vererbt wird“, sagt Aigner. Außerdem hätten sich Kinder immer von ihren Eltern emanzipiert: „Entweder in die eine oder die andere Richtung.“
Dabei muss die Chefin der Oberbayern-CSU einer Art Vorahnung gehabt haben. Als Claudia Stamm 2008 zum ersten Mal für den Landtag kandidiert hat, ging sie deren Mutter Barbara an: Man könne ja nicht verhindern, dass die Tochter bei den Grünen lande. Ob sie aber ausgerechnet in das Parlament müsse, in dem auch die Mutter sitzt, zweifelte Aigner stark an. Damals kandidierte Claudia Stamm noch im Münchner Süden. Im Sommer wechselte sie praktisch vor Aigners Haustür nach Rosenheim.
Auch Ursula Zeitlmann zieht es an den Ort, an dem ihr Vater für die CSU 18 Jahre lang wirkte und wo ihre Stiefmutter Gerda Hasselfeldt, als CSU-Statthalterin regiert. „Ich wollte ja nie meinen Vater kopieren“, sagt die Tochter. Doch es kam anders.
Wie er wurde sie Juristin. Ihre politische Laufbahn begann sie als Gemeinderätin ihres Heimatortes Bernau am Chiemsee, wo auch ihr Vater 15 Jahre Bürgermeister war.
„Um Karriere geht’s mir nicht“, stellt die Mutter zwei Töchter klar. Die hat sie schon gemacht. Als Syndikus eines internationalen Software-Unternehmens.
„Mir geht’s um die Sache“, sagt sie. „Unsere Kinder, unsere Menschen, unsere Alpen und die Natur haben etwas Besseres verdient.“ Die CSU ist es, die sie antreibt, der sie die „Lufthoheit“ nehmen will. Deren „schwarzen Alleinherrschaftsanspruch“ sie durchkreuzen will. „Die hat Weiß-Blau, die Lederhosen und das Dirndl nicht gepachtet“, ledert Ursula Zeitlmann los.
Beim Gautrachtenfest im Sommer haben die beiden Grünen ihren Angriff gestartet. Gemeinsam marschierten Claudia Stamm und Ursula Zeitlmann zu den Trachtlern ins Bierzelt, wo Ilse Aigner mit der CSU Hof hielt. „Was wollt’s denn ihr da“, bekamen sie zur Begrüßung zu hören. Gewichen sind sie nicht.
„Wir haben keine Angst vor Ilse Aigner“, sagt Claudia Stamm. „Die Bauern merken, dass sie keine Hilfe von ihr bekommen. Und dass man umstrukturieren und umdenken muss.“ Eine Sünden-Litanei haben sie über die Bundesverbraucherministerin parat: „Gentechnik, Klontiere, Massentierhaltung. In Brüssel stimmt sie zu. In Berlin wankt sie. Und in Bayern erzählt sie, dass sie eigentlich dagegen ist, wegen ihrer angeblich christlichen Werte“, kritisiert Stamm. Zeitlmann nimmt Aigner in die Zange. „Die großen Probleme, die wir mit dem Klimawandel und Europa haben, kann man nicht mit Folklore übertünchen.“
Als „Ulla“, wie sie daheim genannt wird, ihrem Vater mitteilte, dass sie bei den Grünen sei, reagiert er schmallippig: „So ein Schmarrn.“ Gerda Hasselfeldt, die 2013 als Spitzenkandidatin die CSU-Liste zur Bundestagswahl anführt, ist offensichtlich nicht so amüsiert, aus der Familie Konkurrenz von den Grünen zu bekommen. Zeitlmann will sich öffentlich nicht über ihre Stiefmutter äußern.
Eine ganz bunte Famlie: Schwarz, Rot, Grün – die Zeitlmanns
Auch in schwarzen Familien fallen die Äpfel weit vom Stamm. Als Gerda Hasselfeldt in zweiter Ehe ihren Parteifreund und Bundestagskollegen Wolfgang Zeitlmann heiratete, bekam sie eine bunte Patchwork-Familie. Zeitlmann hat vier Kinder. Brigitte, seine Zweitjüngste, sorgte für einen SPD-Schwiegersohn, der wie der Vater und seine zweite Frau Bundestagsabgeordneter ist. Und was für einer.
Sein Wahlkampf-Plakat hatte Thomas Krüger, Ex- DDR-Bürgerrechtler und letzter Bürgermeister von Ostberlin 1994, über Nacht berühmt gemacht. Als „ganz ehrliche Haut“ präsentierte er sich darauf mannsgroß und ganz nackt. Drei Jahre später heiratete er die CSU-Tochter aus Bayern im Ritus der Bahá’í – eine aus dem Iran stammende Religion. Inzwischen ist Krüger Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung - und den Konservativen seit seiner Rede „das flexible Geschlecht“ ein Dorn im Auge. In der vertritt er die These, dass Geschlechter sozial konstruiert seien. Wolfgang Zeitlmann ist Kummer gewöhnt: 2004 trat Brigittes drei Jahre ältere Schwester Ursula den Grünen bei. Die schmunzelt: „Gottseidank ist keiner von uns bei der FDP und bei den Linken.“