Gefährlicher Unsinn
Anja Timmermann, AZ-Redakteurin, über Kita-Krise und Betreuungsgeld
Selten ist ein solcher Schmarrn beschlossen worden wie das Betreuungsgeld – das wurde gestern erst recht offensichtlich, als die Zahlen bekannt wurden, wie riesig die Lücke bei den Betreuungsplätzen ist.
Solange sich Münchnerinnen auf der verzweifelten Suche nach einem Kita-Platz so demütigen, dass sie weinend und mit blutigen Knien über Legosteine robben (wie kürzlich bei einem vermeintlich witzigen Wettbewerb), gehören all die Millionen in den Ausbau der Tagesstätten gesteckt. Und nicht denen zugesteckt, die diese Plätze nicht brauchen.
Natürlich ist jede Lebensform gleich viel wert, und der Staat hat nicht vorzuschreiben, ob Mütter (und Väter) die ersten Jahre beim Kind bleiben oder nicht. Aber gerade deswegen ist es falsch, die eine Verhaltensweise finanziell zu belohnen. Die Prämie war ja von der CSU gerade als Ausgleich für den vermuteten üppigen Ausbau der Kita-Plätze gedacht. Jetzt lahmt der Ausbau, aber der Ausgleich soll trotzdem kommen.
Das Betreuungsgeld ist gefährlich: Der Kinderschutzbund warnt zu Recht davor, dass der Staat den Kindern, die es am nötigsten hätten, das Recht auf Förderung abkauft. In den sozial schwachen Vierteln von Berlin freuen sich die Bierhallen schon auf höheren Umsatz. Es ist staatspolitischer Unfug: Dann will ich auch 150 Euro im Monat, weil ich die öffentlich subventionierte Oper nicht nutze. Und es ist auch taktisch fragwürdig: So wird der CSU das Ja zu einer Steuersenkung abgekauft, die wohl ohnehin am Bundesrat scheitert.