Geeint – nur im Sünderbänklein
ROTT - Die CSU begeht in Rott am Inn den 20. Todestag von Franz Josef Strauß. Die Sehnsucht nach einem Übervater ist groß. Die Partei hält kurz inne – und streitet danach munter weiter
Ganz kurz, am Anfang, da scheint das Problem der CSU gelöst. Ein großer Schatten, eine massige Silhouette bewegt sich im Gegenlicht durch das Portal der grandiosen Rokoko-Kirche von Rott am Inn: Unverkennbar der halslose Übergang von Kopf zu Körper, die Ohrläppchen, der typische Gang: „Da isser“, entfährt es einer Dame, sie klingt leicht erschrocken: Aber er ist es nicht. Es ist nur der Sohn, der älteste, Max, der sich seinen Weg in die erste Reihe bahnt. Der Vater, Franz Josef Strauß, der wär's gewesen, den vermissen sie, und den ehren sie heute, an seinem 20. Todestag.
Ein paar Meter weiter, hinter der Pfarrkirche Sankt Marinus und Anianus, da liegt er in der Kaisergruft, der Übervater der Partei. Und einen wie ihn, der keinen Widerspruch duldete, und der alle Widersprüche politisch und menschlich in sich trug, den bräuchte die CSU jetzt – um ihr internes Chaos zu klären oder mindestens zu übertünchen. Aber so einen hat die Partei nicht, in den Gesichtern der fast vollzählig eintreffenden Prominenz steht es geschrieben.
Bischof Marx predigt: "Groß ist der, der nicht vergessen wird"
Die Kunst der Inszenierung, kaum einer Partei ist sie so gegeben wie der CSU, jahrzehntelang klappte die Gleichsetzung von Partei und Staat, und so soll es auch heute sein. Unter den Schnitzereien von Ignatz Günter in der Barock-Kirche von Johann Michael Fischer sammeln sich Gebirgsschützen mit den Fahnen und den Spielhahn-Federn am Trachtenhut, Corps-Studenten präsentieren den vollen Wichs, der Chor singt wunderbar, und vorne predigt der Bischof: „Groß ist der, der nicht vergessen wird“, sagt Reinhard Marx, und: „Wir sind über Raum und Zeit mit dem Toten verbunden“. Der energische Erzbischof von München und Freising, der vor acht Monaten aus Trier nach Bayern kam, tröstet die wunden Seelen: „Turbulente Tage“ seien das, und er stimme nicht ein in die „Politikerschelte“. Er sei „dankbar, dass jemand die große Belastung auf sich nimmt, öffentliche Verantwortung zu übernehmen“.
Darauf, das kann man annehmen, können sie sich alle einigen in den ersten beiden Reihen rechts vom Bischof.
Links sitzen die Strauß-Kinder, die Enkel, die Aufmerksamkeit und die Ehrerbietung muss ihnen gefallen. Aber auf der anderen Seite vom Mittelgang, bei den politischen Erben, gibt's nichts zu feiern. Da sitzen sie alle, die ihr Scherflein beigetragen haben, dass die CSU nicht mehr der Monolith der deutschen Parteienlandschaft ist, sondern nur noch ein Hexenkessel persönlicher Interessen.
Günther Beckstein spart sich die Jubel-Veranstaltung
Günther Beckstein spart sich das, der Ministerpräsident hat abgesagt: „Der nimmt sich ein paar Tage frei“, sagt Christa Stewens, die den Regierungschef vertreten muss. Alois Glück, der scheidende Landtagspräsident sitzt neben ihr in Reihe eins, und dann schon Edmund Stoiber. Gottseidank ist Karin auch da, sonst säße der Ex-Regierungschef direkt neben seinem prominentesten Opfer. Erwin Huber, dessen Sturz Stoiber erst vor ein paar Tagen orchestriert hat, würdigt den Alten keines Blickes. Man kennt sich vom Wegsehen. Neben Huber: die arme Christine Haderthauer, die als Generalsekretärin den verheerendsten Wahlkampf der CSU-Geschichte zu verantworten hat. Ein beklagenswertes Sünderbänklein ist das.
Und dahinter ist's nicht viel fröhlicher. Horst Seehofer, Siegfried Schneider, Thomas Goppel, Joachim Herrmann, Markus Söder natürlich: Alle, die noch was werden wollen, quetschen sich da. „Wo ist die Wohnstatt des Lichts“ zitiert der Bischof Hiob und lobt alle, „die im rauen Wind ihr Herz behalten.“ Hiob kenne auch alle Höhen und Tiefen, sagt Marx und tröstet die Beladenen: Politik könne ohnehin nicht Heil und Erlösung sein: „Das ist der Herr allein“. Ein kluges Wort vielleicht an manche in der CSU. Da glaubten doch einige all zulange, ihre Politik sei die alleinseligmachende.
"Wann des der Strauß no derlebt hätt!"
Der Wähler denkt da mittlerweile anders, das hat sich vergangenen Sonntag gezeigt, und auch heute, nur Meter entfernt vom Strauß-Schrein, gibt es ein Umdenken; „Für den Kleinen wird halt zu wenig gemacht“, sagt Johann Lohmayer. „mir wern’ ausgeschöpft“, sagt der 57-jährige Schlosser und meint wohl: geschröpft. Hier an der Gruft, im strömenden Regen, da hätte die CSU wohl 100 Prozent, aber alles schlucken, das wollen die Leut auch nicht mehr: „Wann des der Strauß no derlebt hätt'“, sagt der Brandl-Peter, „dann wär was los. Freilich: „Ob er's besser gemacht hätt? Wer weiß“, gibt Elisabeth Streitwieser zu bedenken. Sie ist extra von Taching am Waginger See gekommen: „Eigentlich wegen den Bischof.“ Aber die Prominenten, die gefallen ihr schon auch.
Wer von denen, die sich da runter drängen in die Gruft, wer soll's denn machen? Kann jemand das Strauß-Erbe retten? „Der Seehofer, der kann's wenigstens mit de Madln“, sagt der Brandl-Peter, der schon bei der Beerdigung von Marianne Strauß da am Friedhof war. Aber so richtig überzeugt ist er auch nicht. Woran hat's denn gelegen, dass es so schief ging für die Schwarzen? „Die ham soviel übers Volk hinweg regiert“, sagt Elisabeth Arnold aus Griesstätt. „Bildung, Büchergeld, Bürgernähe“, sagt sie: „Früher, da war das Amt a halbe Stunde zu: Heit an halben Tag.“
Drinnen im Bürgersaal, wo's trocken ist, da kennen sie diese Analyse aus dem FF. Doch mit Selbstkritik haben sie's noch immer nicht in der CSU-Chefetage, längst zieht die Karawane weiter, es geht schließlich um Wichtigeres, um die Macht. Vorne bemüht sich der erledigte Parteichef Huber vergeblich, ein paar Dankesworte in den anschwellenden Geräuschpegel diverser Unterhaltungen zu platzieren. Hinten führt Markus Söder schon wieder das große Wort: „Herrmann? Wer will denn den – keiner!“ Nein, jetzt laufe alles auf Seehofer zu. Das findet Alois Glück gar nicht: „Das läuft wohl auf Herrmann zu“, meint er zur Nachfolge-Frage. „Der Horst“, sei ihr Favorit, meint Ilse Aigner. Die Bundestagsabgeordnete widerspricht damit Peter Ramsauer, der Chef der Landesgruppe will eine Doppelspitze, also seinen Horst behalten. So verschieden das Meinungsbild, dass es eine wahre Freude ist. Für eine Partei, der „Geschlossenheit“ so wichtig ist wie dem Buddhisten das Mantra, ist das mal was echt neues.
Nein, er wolle sich an dieser Diskussion nicht beteiligen, sagt Max Strauß: „Aber, wissen Sie, das konservative Erbe meines Vaters ist ja noch intakt. Die CSU muss es nur wieder repräsentieren.“ Es klingt wie: Egal wer es macht, er schafft das eh nicht.
Matthias Maus