Gauck zu Staatsbesuch in Prag

Bundespräsident Joachim Gauck hat seinen Staatsbesuch in Tschechien zu einem Appell für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Konflikt genutzt.
von  dpa

Prag - Nach einem Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Milos Zeman sagte Gauck in Prag: "Es ist für uns in Europa nicht hinnehmbar, dass mit Drohungen Politik gemacht wird." Zeman unterstützte die deutsche Position und dankte für die Bemühungen zur Freilassung der festgesetzten OSZE-Beobachter, unter denen auch ein Tscheche war.

Gauck und Zeman würdigten zugleich die engen und herzlichen Beziehungen ihrer Länder. Der tschechische Präsident hob den Kurswechsel seines Landes zu einer europafreundlichen Politik hervor. Wenn Deutschland der Motor der europäischen Integration sei, dann wolle Tschechien als "Getriebe" funktionieren. Das Land werde den Euro einführen, eine Rückkehr zu den "hohlen Phrasen" wie beim Beitritt zur EU vor genau zehn Jahren werde es aber nicht geben.

Zur Ukraine sagte Gauck, alle Beteiligten seien aufgerufen, Ruhe zu bewahren und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Wir wünschen uns eine aktive Politik, die auf Entspannung setzt anstatt auf Zuspitzung", sagte er. Explizit an Russland wandte sich Gauck mit der Aufforderung, innerhalb der OSZE produktiv zusammenzuarbeiten. "Es gibt die OSZE, und sie ist imstande, Mechanismen und Strategien zu entwickeln, die für eine geeinte Ukraine ganz wichtig sind."

Die deutsche Politik suche "mit großem Ernst und letzter Verantwortlichkeit" nach Wegen, die das nationale Interesse der Ukraine schützten und gleichzeitig Verhandlungsmöglichkeiten offen hielten, sagte Gauck. In Europa gebe es unterschiedliche Positionen zu Sanktionen.

"Die deutsche Bundesregierung ist hier in einer sehr heiklen Situation", sagte Gauck. Einerseits werfe man ihr zu große Nachgiebigkeit wegen ihrer Wirtschaftsverbindungen zu Russland vor, andererseits gebe es das Argument, dass die Verhängung von Sanktionen eine Verhandlungslösung gefährde. Zeman begrüßte die "zurückhaltende Position" Deutschlands in dem Konflikt. Wirtschaftssanktionen hätten noch nie geholfen.

Bei einem Mittagessen mit Senatspräsident Milan Stech erinnerte Gauck daran, dass mehr als 1000 Jahre gemeinsamer Geschichte Deutschland und Tschechien verbinden. Der "Zivilisationsbruch" durch den von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg habe dieses einzigartige Miteinander zerstört. Erst durch die Überwindung der Teilung Europas vor mehr als 20 Jahren sei ein gutnachbarschaftliches und freundschaftliches Verhältnis wieder möglich geworden.

Es ist der erste Staatsbesuch eines Bundespräsidenten seit der Gründung der Tschechischen Republik und der Trennung von der Slowakei 1993. Am Dienstag besucht Gauck zusammen mit Zeman das frühere Konzentrationslager und Ghetto Theresienstadt. Bei einer Rede in der Karls-Universität wird er auch den Umgang mit der gemeinsamen Geschichte ansprechen.

Die Vertreibung von mehr als zwei Millionen Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg hat die bilateralen Beziehungen lange belastet. Dazu sagte Gauck am Montag, die deutsche Erfahrung zeige, dass es Zeit brauche, auch selbstkritische Töne anzuschlagen.

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