Gaschke: "Ich kann es nicht mehr länger ertragen"
Beispielloser Showdown in Kiel: Rathauschefin Susanne Gaschke tritt zurück
KIEL Zum Schluss wurde der Druck doch noch zu groß: Susanne Gaschke hat aufgegeben und ihr Amt als Oberbürgermeisterin von Kiel niedergelegt. Sie sprach vom „Hass“ des „männerdominierten Politikbetriebs“, ihre Gegner kreiden ihr einen Steuererlass für einen dubiosen Unternehmer an. Wochenlang hat der Fall weit über Kiel hinaus für Schlagzeilen gesorgt.
Die letzten drei Wochen war die SPD-Politikerin wegen eines Bandscheibenvorfalls krankgeschrieben. Gestern war dann wieder ihr erster Arbeitstag – und der letzte. Um 12 Uhr verkündete sie ihren Rücktritt. „Ich kann die politischen, persönlichen und medialen Angriffe nicht länger ertragen“, sagte sie in einer kurzen Erklärung. Sie sprach von einer Hetzjagd und von Hass, den ihr manche Parteipolitiker entgegengebracht hätten. „Aufgrund meines neuartigen Politikverständnisses bin ich am eingespielten Spiel der alten Art gescheitert. Es gab Gegenkräfte, die diesen Ansatz von Anfang an nicht dulden wollten.“
Emotional, weiblich, bürgernah wollte sie sein. Sie hat es als Berufung gesehen, diese Elemente in die Politik einzubringen. Nach 15 Jahren als „Zeit“-Redakteurin war die 46-Jährige als Quereinsteigerin in die Politik gekommen, vor elf Monaten trat sie das Amt als Oberbürgermeisterin ihrer Heimatstadt an.
Doch am 21. Juli traf sie die Fehlentscheidung ihres Lebens: Sie erließ dem dubiosen und nicht direkt verarmten Augenklinik-Betreiber Detlef Uthoff per Eilentscheidung und am Stadtrat vorbei 3,7 Millionen Euro an Zinsen und Säumniszuschlägen auf seine 4,1 Millionen Euro hohe Gewerbesteuerschuld. Die Kommunalaufsicht hat Gaschkes Deal mittlerweile als „komplett rechtswidrig“ eingestuft, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie wegen des Anfangsverdachts der Untreue in einem besonders schweren Fall.
"So unerfreulich wie unausweichlich"
Dann eskalierte die Lage. Als Ministerpräsident Thorsten Albig (SPD) ihr Ratschläge gab, wie sie mit der Lage umgehen solle, betrachtete sie dies als persönlichen Angriff – und machte ihm ihrerseits in einem emotionalen Auftritt unter Tränen schwere Vorwürfe. Da sanken dann auch die Sympathien der eigenen Genossen. Der grüne Koalitionspartner hatte sich ohnehin schon abgewandt. Ein Burgfrieden platzte schnell.
Bis zuletzt hatte Gaschke zwar verkündet, dass sie zum Kampf entschlossen ist. Aber: An diesem Donnerstag wollte die Ratsversammlung über ihre Abwahl abstimmen, und eine Mehrheit auch bei SPD und Grünen gegen sie zeichnete sich immer deutlicher ab. Das wollte sie sich offenbar nicht mehr antun.
Die Deutungen ihres Rücktritts gehen auseinander. SPD-Landeschef Stegner sagte, er sei „ebenso unerfreulich wie unausweichlich“. Ihre neuen Vorwürfe („Hass“) nannte er „nicht nachvollziehbar und Teil der persönlichen Tragik“. Aus Rücksicht auf Gaschke sollten sie aber nicht mehr kommentiert werden, bat er die Genossen. Sie selber sieht ihre Geschichte als Beispiel, wie Quereinsteiger im Haifischbecken Politik zerfleischt werden. Ihre früheren Gefährten sprechen von jemanden, der einen Fehler nicht zugeben kann, und sich immer weiter in seiner gefühlten Wahrnehmung verstrickt.