Gaddafi soll in die Knie gezwungen werden
Knapp eine Woche nach Ausbruch der Revolte in Libyen macht nun auch die internationale Staatengemeinschaft gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi mobil.
Tripolis/Kairo - Der UN-Sicherheitsrat wollte im Laufe des Freitags zu einem Krisentreffen zusammenkommen.
In Brüssel war für den Nachmittag ein Sondertreffen des Nato-Rats geplant. Schon seit dem Vormittag beriet der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf über einen Ausschluss Libyens.
Unterdessen wollen die libyschen Regimegegner den zum Letzten entschlossenen al-Gaddafi mit einem "Marsch der Millionen" in die Knie zwingen. Politische Aktivisten in den Städten des Ostens sagten in der Nacht, sie wollten für Freitagnachmittag einen Protestzug aus allen "befreiten" Städten bis nach Tripolis organisieren.
Nach anfänglichem Zögern plant die EU jetzt doch ein Paket von Sanktionen. "Wir prüfen alles, Reisebeschränkungen, Kontensperrungen, in den nächsten Tagen", sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Freitag bei Beratungen mit den EU-Verteidigungsministern in Budapest. "Es muss gewährleistet werden, dass so viel Druck wie möglich aufgebaut wird, um die Gewalt in Libyen zu beenden." Sie sei in engem Kontakt zu den USA. Die Schweiz hat bereits sämtliche Gelder des Gaddafi-Clans gesperrt.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte ein generelles Waffenembargo. Als weitere konkrete Sanktionen der EU nannte er in Berlin ein Lieferverbot von Ausrüstung für die libyschen Sicherheitskräfte. Für al-Gaddafi und dessen Familie müsse ein Einreiseverbot in EU-Länder verhängt werden. Ihre Konten im Ausland sollten eingefroren werden. "Die Zeit der Appelle ist vorbei, jetzt wird gehandelt", betonte Westerwelle.
Den Bundeswehreinsatz mit Kriegsschiffen und Transportflugzeugen vor Libyens Küste will Westerwelle nicht als Drohkulisse gegen Gaddafi verstanden wissen. Der Einsatz diene "ausschließlich dem Zweck, unsere Staatsangehörigen außer Landes zu bringen", sagte der Außenminister im Deutschlandfunk.
Zur Unterstützung ist die Deutsche Marine mit drei Fregatten im Mittelmeer unterwegs. Zudem stehen zwei Transall-Maschinen der Bundeswehr auf Malta bereit. Derzeit sitzen noch etwa 160 Deutsche in dem nordafrikanischen Land fest.
Seit Tagen bemühen sich zahlreiche Staaten der Welt ihre Bürger vor den Unruhen in den nordafrikanischen Land in Sicherheit zu bringen. Die Türkei will ihre in Libyen festsitzenden Staatsbürger notfalls mit gezielten Militäreinsätzen herausholen, berichtete die türkische Tageszeitung "Bugün". Von zunächst rund 25 000 Türken in Libyen hat Ankara bisher etwa 7500 herausgeholt. Vier Fregatten der türkischen Marine schützen den Einsatz.
US-Präsident Barack Obama telefonierte nach Angaben des Weißen Hauses mit dem britischen Premierminister David Cameron, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, um ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen.
Die Gaddafi verbliebenen Truppen gehen weiterhin äußerst brutal gegen Regimegegner vor. In einer weiteren per Telefon eingespielten Fernsehansprache hatte Gaddafi das Terrornetz Al-Kaida für die Unruhen in seinem Land verantwortlich gemacht. Zugleich verhöhnte der Staatschef, der die Macht nicht kampflos abgeben will, die Aufständischen.
Das libysche Außenministerium veröffentlichte in der Nacht zum Freitag einen Aufruf an die "fünf Supermächte". Darin hieß es, diese sollten sich selbst davon überzeugen, dass die libysche Armee nur Waffendepots in der Wüste bombardiert habe und keine zivilen Ziele.
Gaddafi-Gegner sind besorgt über chemische Waffen im Besitz des libyschen Regimes. Der Anfang der Woche zurückgetretene libysche Justizminister Mustafa Abdel Galil sagte im Sender Al-Dschasira, dass Gaddafi nicht zögern werde, sie einzusetzen. Vor allem dann nicht, wenn die Hauptstadt Tripolis bedroht sei. "Wenn er zum Schluss wirklich unter Druck steht, ist er zu allem fähig. Gaddafi wird nur verbrannte Erde hinterlassen."
Libyen soll über Senfgas-Bestände verfügen. Etwa 10 Tonnen des Kampfstoffes sollen sich in den Arsenalen der Streitkräfte befinden, sagte Peter Caril, Experte für Massenvernichtungswaffen bei der amerikanischen Arms Control Association, dem US-Sender CNN. Das meiste davon werde in einer Anlage südlich von Tripolis vermutet.
In Ägypten versammelten sich am Freitag - einen Monat nach dem Beginn der Massenproteste gegen Husni Mubarak - tausende Demonstranten auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo, um das Erreichte zu feiern und eine Beschleunigung der politischen Reformen zu fordern. Nach Angaben von Augenzeugen riefen sie: "Das Volk und die Armee arbeiten Hand in Hand" und "Freiheit, Freiheit."