Gaddafi gibt nicht auf
Tripolis/Kairo/Washington - Die internationale Empörung über das Morden in Libyen vermag den Machthaber Muammar al-Gaddafi nicht zu stoppen. Libysche Truppen, die auf den Befehl Gaddafis hören, sollen am Donnerstag die Stadt Al-Sawija südwestlich der Hauptstadt Tripolis angegriffen haben.
Gaddafis Söhne kämpfen unterdessen an der Propagandafront. Aus Furcht vor einer weiteren Eskalation hält der Flüchtlingsstrom der Ausländer aus Libyen an.
Zum ersten Mal seit Beginn der Unruhen äußerte sich auch US-Präsident Barack Obama öffentlich und sagte: "Diese Gewalt verletzt internationale Normen und jedes normale Maß an Anstand. Diese Gewalt muss aufhören." Einen Rücktritt Gaddafis forderte er aber nicht, auch das Wort Sanktion nahm er nicht in den Mund. Bundesaußenminister Guido Westerwelle drang dagegen bei einem Besuch in Kairo auf Sanktionen gegen Gaddafi. "Gaddafi ist ein Diktator, der gegen das eigene Volk vorgeht", sagte er nach einem Treffen mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa.
Die von Gaddafi-Getreuen angegriffene Stadt Al-Sawija gleiche einem "Schlachthaus", sagte ein Augenzeuge am Donnerstag dem arabischen Nachrichtensender Al-Arabija. "Es ist schwer, jetzt die vielen Toten und Verletzten in der Stadt zu zählen."
Der Gaddafi-Sohn Saif al-Islam widersprach Berichten über Angriffe der libyschen Luftwaffe auf Zivilisten. Seit Beginn der Unruhen seien einige wenige Menschen gestorben, sagte er im libyschen Rundfunk . "Aber (...) von hunderten oder tausenden zu sprechen und von Luftangriffen, das ist ein Witz selbst vom militärischen Standpunkt aus", sagte er. "Denn wie kann man mit Flugzeugen Demonstranten angreifen, selbst wenn man töten will?"
In den vergangenen Tagen war in arabischen Medien immer wieder von Luftangriffen auf Kasernen und Munitionsdepots berichtet worden. Damit habe verhindert werden sollen, dass Waffen in die Hände von Aufständischen gelangen oder von übergelaufenen Soldaten mitgenommen würden. Allerdings war unter Berufung auf Augenzeugen auch berichtet worden, dass in Tripolis Kampfflugzeuge das Feuer auf unbewaffnete Demonstranten eröffnet hätten.
Al-Saadi, ein anderer Gaddafi-Sohn, sagte der "Financial Times" (Donnerstag) in einem Telefoninterview , 85 Prozent des Landes seien "sehr ruhig und sehr sicher". Sein Bruder Saif al-Islam arbeite derzeit an einer Verfassung für Libyen. Sein Vater werde künftig als Berater einer neuen Regierung fungieren, sagte Al-Saadi. "Mein Vater wird bleiben als großer Vater, der Ratschläge gibt."
Nach Schätzungen des Auswärtigen Amts halten sich noch etwa 160 Deutsche in Libyen auf. Man prüfe weiter mit Hochdruck alle Möglichkeiten, sie mit Flugzeugen, Schiffen oder auf dem Landweg aus dem Land zu bringen. "Die Gefährdungslage ist nach wie vor hoch", sagte eine Sprecherin am Donnerstag auf dpa-Anfrage. Die deutsche Luftwaffe hatte am Mittwoch 47 deutsche und weitere Passagiere aus 15 Nationen ausgeflogen. Die Heimkehrer berichteten von chaotischen Zuständen am Flughafen in der libyschen Hauptstadt Tripolis.
Angesichts der vielen Opfer beim Aufstand gegen das Gaddafi-Regime wächst die Empörung. Zu Sanktionen gegen Libyen kann sich die internationale Gemeinschaft bislang aber nicht durchringen. Außenminister Westerwelle plädierte am Donnerstag erneut für Strafmaßnahmen.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kündigte an, dafür sorgen zu wollen, dass die Verantwortlichen vor ein internationales Gericht kommen. Alle, die das "brutale Blutvergießen an Unschuldigen" in Libyen anordnen, müssten bestraft werden. Seine Völkermordexperten beurteilten die Attacken auf Zivilisten als schwerste Verstöße gegen die Menschenrechte
Libyens abgetretener Justizminister Mohamed Abdul al-Jeleil sagte in einem Telefoninterview der schwedischen Zeitung "Expressen": "Gaddafis Tage sind gezählt. Er wird es wie Hitler machen und sich das Leben nehmen."
Im Osten Libyens hatten die Bewohner mehrerer Städte bereits am Mittwoch die "Befreiung" ihrer Region von der Gaddafi-Herrschaft gefeiert. Augenzeugen berichteten, in den östlichen Städten Bengasi und Tobruk seien die Vertreter der Staatsmacht entweder verschwunden oder hätten sich den Aufständischen angeschlossen.