Gaddafi geht unter

In immer mehr libyschen Städten haben jetzt die Aufständischen die Kontrolle
von  mm

Es geht zu Ende mit der Herrschaft von Muammar al- Gaddafi. 42 Jahre nach seiner Machtergreifung hissen seine Gegner in immer mehr libyschen Städten die Fahne der alten Monarchie. In der Hauptstadt Tripolis wird noch immer geschossen. Berichte sprechen von bislang 1000 Toten. Die europäischen Staaten bringen ihre letzten Landsleute aus dem Land.
Nach den bizarren Auftritten von Dienstag schwieg Gaddafi gestern. Seine wüsten Drohungen gegen das eigene Volk – „Ratten!”, „Jagt sie”, „Entwaffnet sie!” – sorgte weiter für Chaos, Mord und Totschlag. Bewohner von Tripolis hatten Angst ihre Häuser zu verlassen. Sie sagten, Milizen Gaddafis feuerten willkürlich in den Straßen. Eine Augenzeugin sagte, die Straßen seien menschenleer. Sogar die Verletzten könnten die Krankenhäuser nicht aufsuchen aus Angst, erschossen zu werden.
Aber immer mehr Einheiten des Militärs wechselten verschiedenen Quellen zufolge die Seiten. Im Osten ist die zweitgrößte Stadt Bengasi in den Händen der Aufständischen. Auch in der Stadt Misrata weht die Fahne der Monarchie. Misrata wäre die erste größere Stadt im Westen von Libyen, die von den Regierungsgegnern erobert wurde. Ein Arzt dort, Faradsch al Misrati, erklärte, Einwohner hätten Komitees gegründet, um die Stadt zu schützen, die Straßen zu säubern und die Verletzten zu behandeln. „Die Solidarität der Menschen ist erstaunlich, sogar die Behinderten helfen mit", sagte der Arzt.
Mit Schiffen, Flugzeugen und auf dem Landweg versuchen europäische Staaten, ihre Landsleute aus Libyen herauszuholen. Noch rund 250 Deutsche sollen dort sein. Ein Airbus der Lufthansa sollte gestern weitere Deutsche ausfliegen: „Wir sind einfach froh, wieder hier zu sein”, sagte Christian Treusch nach seiner Landung in Frankfurt: Mit seiner Frau und den beiden siebenjährigen Zwillingen hatten sie den Tag am Flughafen Tripolis verbracht, bevor die erlösende Nachricht kam: Sie können mitfliegen: „Wir haben viele Schüsse gehört”, sagt der Familienvater.
„In Tripolis werden Bomben geworfen”, stand in der SMS, die das Ehepaar Rosenau von ihrem Sohn aus der Hauptstadt bekam. Das war in der Nacht zum Dienstag. Am späten Abend konnten die Eltern ihren Sohn am Frankfurter Flughafen wieder in die Arme schließen: „Wir sind so dankbar, dass er sicher zurück ist”.
Gaddafi scheint derweil zu allem entschlossen: Im Osten stürzte ein Suchoi-Kampfjet seiner Luftwaffe ab. Die Piloten weigerten sich, die Stadt Bengasi zu bombardieren und retteten sich mit dem Schleudersitz. Einen solchen Befehl, sagt ein Fachmann, kann in Libyen nur Gaddafi geben. 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.