Gabriel verteidigt teures schwarz-rotes Energie-Paket
Die Strafabgabe für alte Kohle-Kraftwerke von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist endgültig vom Tisch. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer legten sich stattdessen darauf fest, Braunkohle-Kraftwerke vom Netz zu nehmen und in eine Reserve zu schicken.
Berlin - Dafür erhalten die Stromkonzerne Prämien. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in der Nacht aus Regierungskreisen.
Bis 2020 sollen dann Kraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt endgültig stillgelegt werden. Damit hat sich eine breite Kohlelobby aus Gewerkschaften, Industrie, Braunkohle-Ländern, Union und Teilen der SPD gegen Gabriel durchgesetzt.
Beim heftig umstrittenen Ausbau der Stromnetze habe es zwischen den drei Parteichefs eine "umfassende Verständigung" gegeben, wie es nach dem mehr als fünfstündigen Spitzentreffen im Kanzleramt aus Regierungskreisen hieß.
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Um Seehofer entgegenzukommen, sollen bei den großen neuen Nord-Süd-Stromautobahnen stärker als bisher vorgesehen bestehende Trassen genutzt werden. Auch sollen teure Erdkabel vorrangig verlegt werden, um den Widerstand von Anwohnern zu reduzieren. Konkrete Details dazu wollte Gabriel am Vormittag in Berlin vorstellen. Netzbetreiber fürchten durch mehr Erdkabel erhebliche Verzögerungen und Milliarden-Mehrkosten.
Neuigkeiten gibt es auch in Sachen Atom: Bei den langfristigen Kosten des Atomausstiegs will die Bundesregierung die Energiekonzerne in die Pflicht nehmen. Man werde sicherstellen, "dass sich die Energiekonzerne nicht ihrer Verantwortung für den Rückbau von Atomkraftwerken und für die Lagerung des Atommülls entziehen können", heißt es.
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Die Atomkonzerne haben dafür rund 36 Milliarden Euro an Rückstellungen in ihren Bilanzen stehen. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob die Konzerne, die wegen des Ökostrombooms mit ihren Kraftwerken viel weniger Geld verdienen, dauerhaft für die Atom-Altlasten geradestehen können. Die Regierung betont nun aber, es werde dafür gesorgt werden, dass sich das Haftungsvermögen nicht verkleinere.
Für mehr Energieeffizienz sollen Fördermittel für Verbraucher und Kommunen bis 2020 um bis zu 1,2 Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt werden. Damit will die Koalition den Anteil umweltfreundlicher Anlagen, die aus Gas Strom und Wärme erzeugen (KWK), erhöhen. Auch war geplant, dass Immobilienbesitzer staatliche Anreize zum Austausch alter Heizungspumpen erhalten. Um die Finanzierung zu klären, hatte auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an der Spitzenrunde teilgenommen.
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Mit ihrem Maßnahmenpaket glaubt die Koalition fest daran, ihr Klimaversprechen einzuhalten: "Deutschland wird das Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Bezugsjahr 1990 zu reduzieren, erreichen", hieß es aus Regierungskreisen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel wäre es eine Blamage gewesen, wenn Deutschland vor dem Weltklimagipfel im Dezember in Paris die eigenen Ziele verfehlt hätte.
Greenpeace kritisierte den Verzicht auf die Kohle-Abgabe scharf. "Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihr Klimaversprechen von Elmau gebrochen", sagte Experte Tobias Münchmeyer der dpa. Statt wie beim G7-Gipfel angekündigt den Ausstieg aus der Kohle einzuleiten, lasse Bundeskanzlerin Angela Merkel alle Träume der Kraftwerksbetreiber wahr werden: "Sie müssen weniger CO2 sparen und bekommen dafür auch noch Millionen zugesteckt." So sieht es auch die Energie-Expertin der Linken, Eva Bulling-Schröter: "Gabriel muss sein kluges Konzept des Klimabeitrags zu Grabe tragen. Stattdessen vergoldet die Bundesregierung die Stilllegung einer Hand voll Dreckschleudern von RWE, Vattenfall und Mibra."
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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat das schwarz-rote Energie-Paket verteidigt. Im Bezug auf die ursprünglich geplante, nun aber gestrichene Strafabgabe für Kohle-Kraftwerke sagte Gabriel im ARD-"Morgenmagazin: "Die Unternehmen und die Gewerkschaften haben uns gesagt, das wird nicht funktionieren, wir produzieren Tausende von Arbeitslosen." Er als Wirtschaftsminister könne nicht sagen, dass ihm die Arbeitsplätze in der Lausitz völlig egal seien, erklärte Gabriel.
Der neue Vorschlag laufe auf etwas hinaus, "das wir sowieso brauchen, nämlich eine Kapazitätsreserve am Strommarkt für die Möglichkeit, dass mal nicht genug Strom zur Verfügung steht im Rahmen der Energiewende", sagte der SPD-Chef.
In der Streitfrage um große neue Nord-Süd-Stromautobahnen seien der bayerischen Regierung eine ganze Reihe von Möglichkeiten angeboten worden. "Die wichtigste ist, dass wir Freileitungsausbau zugunsten von Erdkabeln verändern. Das wird viele Bürgerinitiativen freuen", berichtetet Gabriel. Weitere Vorschläge seien der Ausbau bestehender Trassen und die Entlastung von Regionen wie Grafenrheinfeld "von Trassen, die man wirklich nicht braucht".