Gabriel: SPD in katastrophalem Zustand

BERLIN - Es müsse endlich Schluss sein mit den Flügelkümpfen in der Partei. Der designierte SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat mit drastischen Worten Kritik am früheren Führungspersonal seiner Partei geäußert und eine Strukturreform in Aussicht gestellt.
Einen „katastrophalen Zustand“ hat der designierte SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel seiner Partei bescheinigt. In einer Antwort an besorgte Parteimitglieder, die „Sueddeutsche.de“ am Mittwochabend veröffentlichte, kritisiert er die Meinungs- und Willensbildungsprozesse der SPD, in der „Mitglieder meist zu Förder-Mitgliedern degradiert wurden: ohne jeden wirklichen Einfluss“.
Gabriel, den der Parteitag Mitte November zum Vorsitzenden wählen soll, stellte „eine richtige Strukturreform“ in Aussicht. Der amtierende Umweltminister räumte zwar ein, dass die Agenda-Diskussion „wie ein Treibsatz“ gewirkt und letztlich das Entstehen der Linken vorangetrieben habe. Aber „die ersten Landtagswahlen haben wir deutlich VOR der Agenda 2010 krachend verloren“. Und der Zustand vieler Ortsvereine und Unterbezirke habe schon lange nichts mehr mit einer Volks- und Mitgliederpartei zu tun.
Ohne den amtierenden Parteichef Franz Müntefering namentlich zu nennen, merkte Gabriel der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge zu zwei von diesem vertretenen Inhalten an: „Themen wie die Rente mit 67 oder auch die Mehrwertsteuererhöhung in der großen Koalition (haben) die Glaubwürdigkeit der SPD tief erschüttert.“ Zu den Flügelkämpfen in der Partei sagte er: „Wenn wir die SPD nicht endgültig zerstören wollen als Volkspartei, dann muss damit endlich Schluss sein.“
Er regte „ab und an bei wichtigen Entscheidungen“ Urabstimmungen an. Weitere Vorschläge wolle man auf dem Bundesparteitag in Dresden unterbreiten, der solle ein Startschuss sein.
Erste Zustimmung kam am Vormittag von dem bayerischen SPD-Chef Florian Pronold. Er begrüßte im Bayerischen Rundfunk, „dass Sigmar Gabriel darauf verweist, was bei vielen in den letzten Jahren als Eindruck entstanden ist“. Viele SPD-Mitglieder hätten in der Vergangenheit den Eindruck gehabt, dass es sehr wenig darum ergangen sei, selber mitzubestimmen, zitierte der Sender Pronold. „Es ist wichtig, wieder viel stärker die Willensbildung von unten nach oben zu organisieren.“ (AP)