Gabriel: Ohne TTIP droht der Abstieg

Nur noch 39 Prozent der Bürger sind für das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA. Vizekanzler Gabriel, die EU-Kommission und die Wirtschaft rühren nun die Werbetrommel - und wollen mit roten Linien TTIP retten.
von  dpa
Obwohl das Vertrauen der Bürger gegenüber dem US-Handelsabkommen TTIP stark schwindet, rührt Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) die Werbetrommel dafür.
Obwohl das Vertrauen der Bürger gegenüber dem US-Handelsabkommen TTIP stark schwindet, rührt Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) die Werbetrommel dafür. © dpa/AZ

Berlin - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat vor einem Abstieg Europas gewarnt, wenn das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA scheitert. Dann werde Asien das Zepter im Welthandel übernehmen. "Ich beobachte mit großer Sorge, dass sich Teile der Öffentlichkeit einmauern in ihren Argumenten", sagte Gabriel am Montag in Berlin. Dort diskutierten die SPD und die Wirtschaft auf zwei großen Kongressen über Vor- und Nachteile. Bei den Bürgern verliert TTIP zunehmend an Rückhalt.

Wie aus einer neuen Emnid-Umfrage für die Verbraucherschützer von Foodwatch hervorgeht, finden nur noch 39 Prozent der Deutschen die "Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft" (TTIP) zwischen Europa und den Vereinigten Staaten gut - im Oktober waren es 48 Prozent, vor einem Jahr 55 Prozent.

In der großen Koalition ist der linke SPD-Flügel besonders kritisch - in der Umfrage allerdings befürworten 51 Prozent der SPD-Anhänger das Abkommen. Um die Partei stärker mitzunehmen, organisierten Gabriel und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nun eine eigene TTIP-Konferenz im Willy-Brandt-Haus.

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EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström begrüßte den Vorschlag von Gabriel für eine Alternative zu privaten Schiedsgerichten bei den Freihandelsabkommen. "Ich denke, dass ist eine gute Idee, aber das kann nicht über Nacht erreicht werden", sagte Malmström in Berlin. Gabriel und seine sozialdemokratischen EU-Amtskollegen hatten am Wochenende die Schaffung eines Investitionsgerichtshofs ins Spiel gebracht.

Das Ändern von Gesetzen soll kein Klagegrund für Konzerne darstellen. Um Investoren vom Gang vor ein Schiedsgericht abzuschrecken, solle der Grundsatz gelten "Der Verlierer zahlt", sagte Gabriel. Er wolle öffentliche Verfahren sowie unabhängige, professionelle Richter haben: "Anwälte als Schiedsrichter wollen wir nicht mehr in Schiedsgerichten sehen." Dieses System könnte als "Gold-Standard" Vorbild für alle neuen Handelsabkommen werden.

Viele Bürger in Europa fürchten, dass Konzerne vor privaten Gerichten nationale Gesetze aushebeln könnten und Staaten zu hohem Schadenersatz verurteilt werden.

Hoffnungen auf einen raschen TTIP-Abschluss teilt Malmström nicht. Es sei unrealistisch anzunehmen, alle Übersetzungen und Abstimmungen in den nationalen Parlamenten könnten bis zum Ende der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama Anfang 2017 abgeschlossen sein. Fertig ausgehandelt ist das EU-Abkommen Ceta mit Kanada. Es gilt als Blaupause für TTIP.

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Die Wirtschaft pocht auf einen vernünftigen Investitionsschutz. "Für die deutsche Industrie ist dieses Instrument unverzichtbar, um ihre Auslandsinvestitionen gegen politische Risiken abzusichern", meinte BDI-Präsident Ulrich Grillo. Durch den Wegfall von Zöllen gebe es großes Sparpotenzial. So zahlten die Autobauer bei Exporten in die USA pro Jahr eine Milliarde Euro an Zöllen, die Chemieindustrie rund 140 Millionen Euro. DIHK-Präsident Eric Schweitzer sagte, gerade der Mittelstand werde von TTIP profitieren: "Das ist kein Thema, was allein Siemens, Daimler oder andere Große betrifft."

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