G36: Von der Leyen gerät in Erklärungsnot

Wer eine Amtszeit an der Spitze des Verteidigungsministeriums unbeschadet übersteht, der kann auch Kanzler - oder Kanzlerin, sagen viele. Ursula von der Leyen geht in der Affäre um das Sturmgewehr G36 jetzt in die Vorwärtsverteidigung.
von  dpa
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gibt nach der Beratung des Verteidigungsausschusses über das Gewehr G36 ein Statement ab.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gibt nach der Beratung des Verteidigungsausschusses über das Gewehr G36 ein Statement ab. © dpa

Berlin - Für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist diese neue Affäre ein echtes Problem. Denn durch die Vorgänge im Bendlerblock, die jetzt ans Licht gekommen sind, wird ihr Ruf als große Aufklärerin beschädigt.

Was ist geschehen? Im November 2013 will Heckler & Koch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) einspannen, weil ihn die vielen negativen Berichte über sein Sturmgewehr G36 stören. Als sich der MAD-Präsident weigert, hakt der Leiter der Abteilung Ausrüstung des Verteidigungsministeriums im Dezember 2013 bei MAD-Präsident Ulrich Birkenheier persönlich nach.

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Für die Grünen ist diese Intervention der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. "Das ist der Punkt, an dem aus der G36-Affäre ein echter Skandal geworden ist", sagt die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger. Sie sagt: "Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass Frau von der Leyen nicht gehandelt hat."

Zwar war die Ministerin, als der Abteilungsleiter seine heikle Botschaft an den MAD-Präsidenten schickte, noch nicht im Amt. Im März 2014 landete in ihrem Büro jedoch ein 25-seitiger Bericht mit dem Titel "Genese G36". Darin wird in einem Absatz mit der Überschrift "Einschaltung Militärischer Abschirmdienst" beschrieben, wie Ende 2013 erst Heckler & Koch und dann zwei führende Mitarbeiter der Rüstungsabteilung des Ministeriums vergeblich versucht hatten, den MAD in Gang zu setzen. Ihre Forderung: Der Abschirmdienst sollte etwas gegen die "seit Jahren laufende - offenkundig gezielte - Berichterstattung in den Medien über die schlechte Trefferwirkung der Handwaffen, insbesondere des Herstellers Heckler & Koch" unternehmen.

Dafür, dass von der Leyen diesen Bericht damals persönlich gelesen und trotzdem nicht gehandelt hat, gibt es bislang keine Indizien. Dass der Bericht von einem Mitarbeiter ihres Büros zumindest angeschaut und abgezeichnet wurde, steht dagegen fest. Das wirft die Frage auf, ob die Ministerin, die ein Großreinemachen im Rüstungssektor angekündigt hatte, ihren Laden wirklich im Griff hat.

Von der Intervention ihrer Rüstungsabteilung beim MAD hat von der Leyen selbst nach bisherigen Erkenntnissen erst vor etwa zehn Tagen erfahren. Und zwar nachdem ein Mitarbeiter den Bericht vom März 2014 aus der Geheimschutzstelle des Ministeriums in Bonn geholt hatte.

Der Mitarbeiter hatte den Auftrag erhalten, für die Mitglieder des Verteidigungsausschusses umfangreiche Unterlagen über die Beschaffung des Sturmgewehrs G36 zusammenzustellen. Denn die Parlamentarier wollen jetzt, wo Untersuchungen im Auftrag des Ministeriums eine schlechte Treffsicherheit des Gewehrs bei hohen Temperaturen festgestellt haben, genau wissen, wer sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten für diese Waffe ausgesprochen hatte und wieso.

Der Abteilungsleiter, der in seinem Schreiben an den MAD-Präsidenten damals die "wehrtechnische Abhängigkeit der Bundeswehr" von den Produkten von Heckler & Koch herausgestrichen hatte, ist inzwischen versetzt worden. Allerdings nicht wegen seines damaligen Briefes, sondern weil die Ministerin wegen anderer Vorgänge in seiner Abteilung kein Vertrauen zu ihm hatte.

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Um weiteren Schaden abzuwenden, hat sich von der Leyen jetzt auf das verlegt, was sie am besten kann: Vorwärtsverteidigung. Sie betont ihr eigenes Interesse an einer Aufklärung des heiklen Sachverhalts. Gleichzeitig stellt sie weitere "strukturelle und personelle Konsequenzen" in Aussicht.

Ob ein Untersuchungsausschuss jetzt kommt oder nicht, hängt von der Linkspartei ab. Die zeigt sich zwar gegenüber der Idee der Grünen aufgeschlossen. Die Linke will sich aber nach Angaben eines Sprechers erst endgültig festlegen, wenn klar ist, ob und in welchem Umfang sich der ehemalige Verteidigungsminister und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Verteidigungsausschuss zur G36-Affäre äußern will.

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