Für Lebenswerk ausgezeichnet: Merkel erhält Goldene Ehren-Victoria

In Berlin wird der Kanzlerin die "Goldene Ehren-Victoria" verliehen – doch die Zeit der letzten Male scheint für sie begonnen zu haben.
Berlin - Hat sie wirklich feuchte Augen? Es sieht zumindest so aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel steht auf, die fulminante Lobrede der jordanischen Königin klingt noch nach. Als sie die goldene Figur der Siegesgöttin entgegennimmt, geht ein Raunen durch die Stuhlreihen. Die sonst so nüchtern wirkende 64-Jährige scheint tief ergriffen. Mit stehenden Ovationen feiert das Publikum die Bundeskanzlerin, die auf die Zielgerade ihres langen politischen Weges eingebogen ist.
Genau eine Woche ist es her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel als Konsequenz aus dem Wahldebakel der CDU in Hessen verkündet hat, sich im Dezember nicht mehr für den Parteivorsitz zu bewerben. Und in drei Jahren nicht mehr für die Kanzlerschaft anzutreten. So liegt am Montagabend in der mondänen Hauptstadtrepräsentanz der Telekom schon mehr als ein Hauch von Abschied in der Luft. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekommt einen ersten Vorgeschmack auf das, was einmal über sie in den Geschichtsbüchern stehen könnte.
Rückzug verleiht Preisverleihung eine besondere Note
Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihr Lebenswerk die "Goldene Ehren-Victoria"erhält, die Auszeichnung der deutschen Zeitschriftenverleger, war schon seit Monaten geplant. Doch durch die Bekanntgabe ihres Rückzugs auf Raten erhält die feierliche Preisverleihung in Berlin eine ganz spezielle Note. Dass die Würdigung der Kanzlerin eher einem politischen Nachruf als einer Zwischenbilanz gleicht, ist kaum zu überhören.
In einem eingespielten Film preist Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sie als Politikerin "die nicht auf Konfrontation setzt“. Die mit einer "uneitlen Art"dafür gesorgt habe, dass Deutschland den Wandel besser als andere Staaten bewältigt.
Siemens-Chef Joe Kaeser sagt, dass in ihrer erfolgreichen Amtszeit zwar nicht alles so gelaufen sei wie gedacht – und verweist auf die Flüchtlingskrise. Doch Merkel habe mit ihrer Politik gezeigt, "dass Deutschland aus seiner Geschichte gelernt hat“. Globalisierung sei keine Einbahnstraße, das habe Bundeskanzlerin Angela Merkel verstanden. Merkel wirkt gerührt. Mit dieser Bewertung ihrer Kanzlerschaft könnte sie offensichtlich leben.
Merkel eine "Kämpferin" und "Brückenbauerin"
Ist da überhaupt noch eine Steigerung möglich? Rania, der glamourösen Königin von Jordanien, gelingt sie. Merkel habe sich die Bewunderung und den Respekt der ganzen Welt erworben. Sie sei eine "Kämpferin“, eine "Brückenbauerin“. Die Monarchin, die einen rosenholzfarbenen, von Goldfäden durchwirkten, hochgeschlossenen Traum von einem Kleid trägt, verneigt sich mit ihrem Lob tief vor der Kanzlerin. Die dasselbe trägt, wie fast immer. Einen Blazer, diesmal in lila, zur schwarzen Hose.

Ihre Rührung überwindet Merkel schnell. In einer kurzen Dankesrede hält sie ein Plädoyer für die Freiheit der Presse, die eigentlich im Mittelpunkt des Abend stehen soll. Vor Merkel waren posthum Daphne Caruana Galizia aus Malta und Jan Kuciak aus der Slowakei geehrt worden. Zwei Journalisten, die Opfer von Mordanschlägen wurden, weil sie Korruption und Machtmissbrauch anprangerten. Merkels knappe Worte können auch als Reaktion auf Kritik verstanden werden, die es im Vorfeld der Preisverleihung gegeben hatte. Journalistenverbände bemängelten, dass ausgerechnet die jordanische Königin als Laudatorin für die Bundeskanzlerin ausgewählt wurde. Denn was die Pressefreiheit betrifft, gibt es in Jordanien, vorsichtig formuliert, Luft nach oben.
Merkels Abschiedstour hat begonnen
Die Organisation Reporter ohne Grenzen führt eine Rangliste, in der bewertet wird, wie es in den Ländern der Welt um die Freiheit der Medien bestellt ist. Am besten ist die Situation in Norwegen, Deutschland landet auf Platz 15. Das Königreich Jordanien nimmt den unrühmlichen Platz 132 ein. Doch die Kontroverse gerät an diesem Abend in den Hintergrund.
Wie selten zuvor steht Bundeskanzlerin Angela Merkel im Mittelpunkt. Denn eines wird klar: Für sie hat die Zeit der letzten Male begonnen. Manche Staatsbesuche, Treffen oder Anlässe werden sich nicht wiederholen. Selbst wenn Merkel wie geplant noch drei Jahre als Kanzlerin im Amt bleibt.