Frust im Klinikalltag: Der ignorierte Patient

Personalmangel und Hektik sorgen bei ihnen oft für Frust. Deswegen sollen sie sich vor Ort in den Krankenhäusern beschweren können – doch dabei gibt es erhebliche Probleme.
Tobias Wolf |
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Die Sorgen unzufriedener Klinikpatienten werden oft nicht gehört.
Peter Endig/dpa Die Sorgen unzufriedener Klinikpatienten werden oft nicht gehört.

Bei Schwierigkeiten in Krankenhäusern stoßen Patienten häufig auf taube Ohren. Zwar ermöglichen es mehr als 90 Prozent der Kliniken den Patienten, sich zu beschweren, und bearbeiten die Kritik auch systematisch. Doch mangelt es in vielen Krankenhäusern an ausreichend Personal dafür. Das ergab eine aktuelle Studie des Aqua-Instituts für Qualität im Gesundheitswesen im Auftrag des Bundespatientenbeauftragten Karl-Josef Laumann.

Am Mittwoch kamen die Gesundheitsminister der Länder zu einer zweitägigen Konferenz in Bremen zusammen. Laumann verlangt von ihnen Verbesserungen. Die Vorsitzende der Konferenz, die Bremer Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD), fordert zudem, den Pflegeberuf attraktiver zu machen.

Laut der Aqua-Studie befasst sich in 53 Prozent der Kliniken rechnerisch nur maximal eine Viertelkraft mit dem patientenorientierten Beschwerdemanagement. Laut offiziellen Vorgaben sollen Patienten durch diese Möglichkeit Unzufriedenheit mit Klinikabläufen oder mit dem Personal schnell und unbürokratisch artikulieren können und auch eine Rückmeldung erhalten.

"Wir brauchen in den nächsten Jahren Tausende Pflegekräfte"

In einem Brief an die Gesundheitsminister fordert Laumann, "vorhandene Defizite" zu beseitigen. "Allen stationären Einrichtungen muss klar sein, dass sie in erster Linie mit den Kriterien Qualität und Zufriedenheit gemessen werden."

Der Patientenbeauftragte sagt, die Studie zeige, "dass beim Beschwerdemanagement noch längst nicht alles optimal läuft". Nötig seien eine ausreichende Personalausstattung, eine ausreichende Schulung der zuständigen Mitarbeiter und verbindliche Festlegungen zum Umgang mit den Beschwerden im Klinikalltag.

Im Vordergrund des Ministertreffens steht zudem die Versorgung älterer Menschen. Der Fachkräftemangel stelle Deutschland vor große Herausforderungen, sagt Quante-Brandt. Mit Blick auf die älter werdende Gesellschaft sei die Nachfrage nach Pflege und Therapie groß.

"Um auch künftig gut qualifizierte Fachkräfte zu bekommen, müssen wir den Pflegeberuf attraktiver machen", erklärt die Bremer Senatorin. Nötig sei eine gemeinsame Ausbildung für die Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege. "Wir brauchen in den nächsten Jahren Tausende Pflegekräfte. Es ist wichtig, dass sich mehr junge Menschen für den Beruf entscheiden."

Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser: Knapp jede zehnte Klinik im "roten Bereich"

Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich 2015 gegenüber dem Vorjahr leicht verschlechtert. 9 Prozent der rund 2000 Kliniken lagen im "roten Bereich" mit erhöhter Insolvenzgefahr, 12 Prozent im "gelben" und 79 Prozent im "grünen Bereich". Das geht aus dem "Krankenhaus Rating Report" hervor, den das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) gestern in Berlin vorgestellt hat.

Erstmals fiel danach die Zahl der Betten unter 500.000. Die Zahl der Krankenhäuser verringerte sich um 1,2 Prozent auf 1956. Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten sank weiter auf 7,3 Tage. Die Zahl der Krankenhausfälle nahm um 0,5 Prozent zu.

Auf Konzernebene schrieben etwa 20 Prozent der Krankenhäuser einen Jahresverlust, rund 80 Prozent verbuchten schwarze Zahlen oder hatten eine ausgeglichene Bilanz.

Die Kapitalausstattung der Krankenhäuser ist laut Bericht noch immer unzureichend. Ihr jährlicher Investitionsbedarf (ohne Universitätskliniken) beläuft sich auf mindestens 5,4 Milliarden Euro. Da die Bundesländer 2015 Fördermittel in Höhe von 2,8 Milliarden Euro zur Verfügung stellten, ergibt sich eine jährliche Förderlücke von mindestens 2,6 Milliarden Euro. Dazu kommt ein über die Jahre aufgebauter Investitionsstau.

Bezogen auf die Krankenhausträger erzielten die privaten Kliniken die besten Noten: Bei ihnen sind 4,7 Prozent im roten Bereich, bei den kirchlichen Häusern 6,9 Prozent und bei den öffentlich-rechtlichen Häusern 16,5 Prozent.

Schlechte Versorgung? Kinderärzte wehren sich gegen Vorwürfe

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte wehrt sich gegen Vorwürfe, sie würden ihre Patienten schlecht versorgen, etwa indem sie zu wenige Hausbesuche machten, weil diese zu schlecht bezahlt seien. Über ein entsprechendes Ergebnis einer bundesweiten Umfrage hatte das TV-Magazin Report Mainz am Dienstagabend berichtet.

"Tatsächlich versorgen die niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte in der Regel ihre Patienten in der Praxis", betonte der Präsident des Berufsverbandes, Thomas Fischbach: "Und dafür gibt es gute Gründe". Unter anderem sei in der Praxis eine viel gründlichere Diagnostik möglich durch die besseren Untersuchungsmöglichkeiten.

Zudem, so Fischbach, seien die Kinderärzte "wegen fehlgeleiteter Bedarfsplanung" in der Regel völlig überlastet: "Würden wir unsere Patienten zu Hause besuchen, könnten wir nur einen Bruchteil aller kranken Kinder und Jugendlichen versorgen." Die meisten kranken Kinder seien auch transportfähig, so dass ein Besuch in der Praxis zumutbar sei. Infektiöse Kinder würden gesondert eingelassen und in gesonderte Untersuchungszimmer gesetzt, so dass sie andere nicht anstecken könnten.

Report Mainz hatte berichtet, 80 Prozent der befragten Ärzte gäben an, sie hätten keine Zeit für Hausbesuche. Viele hätten den Eltern "unterstellt" dass diese sich vor allem durch einen Hausbesuch die Wartezeit ersparen wollten. Und ein Drittel habe erklärt, Hausbesuche seien zu schlecht bezahlt.

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