Fremdschämen oder genial? Was der bayerische Ministerpräsident Markus Söder auf Instagram treibt

München - Eigentlich würde man solche Fotos ja verstecken: In Cowboystiefeln unnatürlich auf einen Stuhl gelehnt, die Hose hochgekrempelt – Markus Söder blickt von unten mit Schlafzimmerblick in die Kamera, seine Haare sind zurückgegelt. Es wirkt ein bisschen so, als träfe Schwarzwaldklinik auf David Hasselhoff. Aber offenbar will der bayerische Ministerpräsident die Aufnahme nicht verstecken, postet das Ganze sogar auf Instagram. Ist das wirklich derselbe Mann, der im Dezember staatstragend in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz niedergelegt hat und sich tagtäglich um die Zukunft Bayerns kümmert?
Ja. Und er tut damit sogar etwas äußerst Kluges, findet Martin Fuchs. Der Experte für politische Kommunikation lobt Söder in vollen Tönen: "Er hat das Instagram-Game perfekt verstanden!" Denn Söder habe relativ früh erkannt, wie Inszenierung im Netz funktioniert.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: Zu viel Geld für schöne Fotos?
Man merke Söders Profil an, dass er schon lange und kontinuierlich dabei sei. Was Fuchs explizit lobt, ist der Mix aus inhaltlicher Kommunikation und persönlicher Note. "Es sind natürlich extrem professionell produzierte Fotos und bestens ausgewählte Motive", findet Fuchs. Kostet ja auch eine Stange Geld: Für 2023 gab die Staatskanzlei bis zum Stichtag 8. Mai Kosten von 75.726,73 Euro für freie Fotografen an. Außerdem ist ein Fotograf bei der Staatskanzlei fest angestellt. Ein Umstand, den die Opposition massiv kritisiert.
Die Debatte koche immer mal wieder hoch, sagt Fuchs. "Das, was wir an Zahlen kennen, da würde ich nicht sagen, dass das exorbitant hoch ist", findet er. Schließlich sei das Budget auch für die komplette Staatskanzlei. "Wenn man das auf die einzelnen Monate runterrechnet und sieht, was dabei an Content rauskommt, ist das verträglich", sagt Fuchs. Man müsse Kommunikation als "politisches Gewerk" sehen wie beispielsweise Anträge stellen. Insofern sei es vollkommen gerechtfertigt. Fuchs verweist auch auf die AfD, die außer Kommunikation nicht viel betreibe. Darauf müsse man eben auch reagieren.
Markus Söder auf Instagram: Warum peinliche Bilder hilfreich sind
Söders Retro-Posting passt laut Fuchs da genau ins Bild: "Es gibt ja auch auf Instagram den Throwback Tuesday, an dem man Fotos aus der Vergangenheit präsentiert." Nahezu schon Kultstatus haben Söders Essensfotos unter dem Hashtag #Söderisst. Da ist alles dabei, auch mal das Schnellgericht aus einem bekannten amerikanischen Betrieb. Die Botschaft: Ich bin auch nur ein Mensch. Dahinter stecke aber eine klare Kommunikationsstrategie, findet Fuchs.
Auch das Essen ist so gesehen politisch: "Er zeigt damit ganz klar, was seine Werte sind: Fleisch ist okay, ihr müsst euch nicht ändern." Dadurch grenze er sich stark von den Grünen ab – ohne große Worte. Ein Foto langt. Auch wenn das mal ein wirklich abstoßendes Bild von Saurem Lüngerl aus der Kantine der Staatskanzlei ist. Aber es ist ja oft so, dass Dinge, die nicht schön aussehen, trotzdem gut schmecken.

Dass Angela Merkel ihre Kartoffelsuppe postet oder Olaf Scholz eine Instagramstory zu seiner berüchtigten Aktentasche macht, kann man sich nicht wirklich vorstellen. Über die Symbole und den Habitus von Macht sind schon ganze Habilitationen geschrieben worden.
Verbaut sich Söder nicht durch seine Insta-Coups den Weg ins Kanzleramt? "Im Gegenteil. Damit steigert er sogar das Vertrauen in seine Person", sagt Fuchs. Denn eine gewisse Selbstironie zeige, dass Politiker eben auch nur Menschen sind und beweise damit Bürgernähe. Persönlich werde Söder, denn er fragt seine Follower auch nach deren peinlichen Bildern aus der Vergangenheit.
Markus Söder zeigt fast schon Perfektion auf Instagram
Was Söder noch besser machen könne? Da fällt Fuchs nicht viel ein. "Söder ist da schon am oberen Ende", sagt der Kommunikationsberater. Laut der Onlinestudie von ARD und ZDF 2023 nutzen 66 Prozent der Befragten zwischen 14 und 29 Jahren täglich Social Media. Instagram ist laut Studie die beliebteste Plattform, Söder hat aber seit Montag auch einen eigenen WhatsApp-Kanal.
Um die Reichweite wissen offenbar auch andere in der CSU. Denn es gibt Trittbrettfahrer, die scheinbar von Söders Insta-Erfolg profitieren wollen. Der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch hat aber mit seinem Hashtag #Walchkocht, mit dem er auf #Söderisst reagiert, deutlich weniger Erfolg. Und erlebt bittere Ignoranz aus der Staatskanzlei: Denn Söder hat Walchs Koch-Posts noch nicht ein einziges Mal geliked.