Fremdenhass bedroht den Frieden
Die Bundesregierung warnt: Der wachsende Rechtsextremismus im Osten gefährdet das gesellschaftliche Klima und die Wirtschaft.
Freital, Clausnitz, Tröglitz oder Bautzen: Immer wieder geraten ostdeutsche Ortschaften in die Negativ-Schlagzeilen. Grund: Fremdenfeindliche Aufmärsche, Übergriffe auf Flüchtlinge und Anschläge auf Asylunterkünfte. Jetzt schlägt die Bundesregierung Alarm: Die Rechtsextremen bedrohen den gesellschaftlichen Frieden in den neuen Ländern, warnt die Ostbeauftragte Iris Gleicke. Die SPD-Politikerin hat gestern in Berlin den Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit vorgestellt.
26 Jahre nach der Wiedervereinigung zeichnet Gleicke ein düsteres Bild – und nimmt kein Blatt vor den Mund. Da gebe es überhaupt nichts schönzureden, da helfe keine rosarote Brille, sagt sie und gibt unumwunden zu: Der wirtschaftliche Aufholprozess Ostdeutschlands lahmt seit Jahren, und die Lücke dürfte sich auch langfristig kaum schließen.
Die Mehrheit der nicht Rechtsextremen müsse Stellung beziehen
Grund: Der zunehmende Fremdenhass schade dem Standort Ostdeutschland und gefährde dort den gesellschaftlichen Frieden. „Im Moment habe ich nicht viel Positives zu berichten“, gibt Gleicke zu. Der Rechtsextremismus stellt nach ihren Worten „in all seinen Spielarten eine sehr ernste Bedrohung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der neuen Länder dar“. Besonders alarmierend: Die Grenzen zwischen bürgerlichen Protesten und rechtsextremistischer Hetze würden zunehmend verschwimmen.
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Im Ausland werde Gleicke überall – auch von Investoren – auf diese Entwicklung hin angesprochen. Ein nicht weltoffener Standort erleide ökonomische Nachteile. Im Tourisums – etwa in Sachsen – gebe es teils deutliche Rückgänge.
Die große Mehrheit der Ostdeutschen sei zwar nicht fremdenfeindlich: „Aber ich würde mir schon wünschen, dass diese Mehrheit noch deutlicher Stellung bezieht“. Auch Unternehmen und Gastwirte müssten Gesicht zeigen. Die dramatisch gestiegenen Zahlen rechtsextremer Übergriffe (siehe Grafik) könnten nicht verschwiegen werden: „Sie sind so signifikant, wie sie sind.“
Für Ostdeutschland stehe viel auf dem Spiel, sagte die Politikerin aus Thüringen. 26 Jahre nach der Wiedervereinigung verlaufe der wirtschaftliche Aufholprozess „äußerst verhalten“. Und dies sei noch „eher freundlich“ formuliert. 2015 habe die Wirtschaftskraft je Einwohner um 27,5 Prozent unter dem Niveau der alten Länder gelegen. Hemmnisse für mehr Wachstum seien das Fehlen großer Unternehmen sowie Konzernzentralen und eine geringe Innovationskraft.
Mit Blick auf die Abwanderung und den Fachkräftemangel sagt Gleicke, die Integration von Flüchtlingen sei mittel- bis langfristig eine Chance.
Gleicke warnt allerdings auch vor Schwarzmalerei. Die ostdeutsche Wirtschaft liege heute fast auf EU-Durchschnittsniveau. Der Arbeitsmarkt entwickle sich gut, die Löhne seien gestiegen.
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