Freispruch fürs Handy
BERLIN - Handy-Strahlung ist nicht krebserregend – das zumindest legt ein Forschungsprojekt des Bundesamtes für Strahlenforschung nahe. Doch in Kinderhände gehört das Telefon nicht.
Gehirntumore, Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Konzentrationsstörungen: Die Liste der vermeintlich gesundheitsschädlichen Wirkungen von Handys ist lang. Und falsch. Das zumindest legt ein Forschungsprojekt des Bundesamtes für Strahlenforschung nahe.
Sechs Jahre lang haben die Experten geforscht, gefragt, gerechnet. Jetzt steht für die Wissenschaftler des Bundesamts für Strahlenschutz fest: Wer regelmäßig mit seinem Handy telefoniert, hat kein höheres Risiko an Krebs zu erkranken. Auch ein Zusammenhang zwischen der Mobilfunkstrahlung und Symptomen wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen konnte nicht nachgewiesen werden.
Die derzeit in Deutschland geltenden Grenzwerte reichen aus, um die Bevölkerung zu schützen, teilte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montag in Berlin mit. Auch schnurlose Telefone und Basisstationen nach DECT– Standard in der Nähe des Bettes sind nicht schädlich. Zwar gebe es in Einzelfällen Veränderungen der Genaktivität, die Gesamtbeurteilung stelle das aber nicht infrage. Auch die so genannte „Elektrosmogsensibilität“ konnte nicht nachgewiesen werden.
Weiterhin Klärungsbedarf
Doch eine richtige Entwarnung will Gabriel nicht geben: Weil das Projekt auf weniger als zehn Jahre angelegt war, gebe es weiterhin Klärungsbedarf – langfristige Risiken könnten durch die Studie nicht abschließend geklärt werden. „Das ist vor allem bei Kindern, die sehr empfindlich sind, der Fall“, sagte Gabriel.
Bis es Langzeitstudien über Kinder gibt, die mit dem Handy groß geworden sind, raten Experten weiter zu einem „vorsichtigen Umgang mit drahtlosen Kommunikationstechniken“. Schon gar nicht gehöre das Handy in die Hände von Kleinkindern, sie sollten nur in Ausnahmefällen mit mobilen Geräten telefonieren. Die Studien hatten die Belastung durch Handy-Strahlung im Alltag aufgegriffen und erstmals untersucht, wie die Bevölkerung die Risiken der Mobilfunktechnologie wahrnimmt. Gabriel selbst räumte ein, er kenne Berichte von Menschen, die über Strahlenbelastung klagen. Aber, so Gabriel: „Ich kann nicht subjektive Betroffenheit regeln.“ Hier komme der Staat an seine Grenzen.
Getürkte Studien
Die Ängste in der Bevölkerung vor schädlichen Strahlen, sie ist nach wie vor groß – obwohl es in 80 Prozent der deutschen Haushalte laut dem Statistischen Bundesamt mindestens ein Mobiltelefon gibt. Erst kürzlich verbreiteten zwei Studien Panik: Die Handy-Strahlen zerbrächen Fäden des Erbguts, so entstehe Krebs, hieß es. Doch dann kam heraus: Die Studie war getürkt, eine Labortechnikerin hatte die Daten schlichtweg erfunden.
Schon vor zwei Jahren hatte eine internationale Studie die Krebsquote von Handy-Nutzern mit denen der übrigen Bevölkerung in Dänemark verglichen. Fazit: Es wurde keine Krebsart gefunden, die mit der Handy-Nutzung im Zusammenhang stehe.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland kritisierte am Montag, dass immer noch die Hinweise von Betroffenen und Ärzten zu Nebenwirkungen nicht ernst genommen und oft als Einbildung abgetan würden. Wieder andere Kritiker fürchten auch, dass erst in Zukunft verzögerte Gesundheitsschäden auftreten werden. Doch die nächste Studie steht schon bereit: Die Weltgesundheitsorganisation lässt derzeit die Strahlen-Gefahren in 13 Ländern untersuchen.