Franz Müntefering: „Ich weiß um meine Verantwortung“

Es war das schlechteste Ergebnis der SPD, jetzt deutet Franz Müntefering den Verzicht auf das Amt des Parteivorsitzenden an. Der parteiinterne Krieg um seinen Posten tobt. Der linke Flügel kämpft gegen den Steinmeier-Flügel.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Mit hängendem Kopf: Franz Müntefering
dpa Mit hängendem Kopf: Franz Müntefering

Es war das schlechteste Ergebnis der SPD, jetzt deutet Franz Müntefering den Verzicht auf das Amt des Parteivorsitzenden an. Der parteiinterne Krieg um seinen Posten tobt. Der linke Flügel kämpft gegen den Steinmeier-Flügel.

Wenig sieht lächerlicher aus als Wahlplakate von Verlierern. Wie Frank-Walter Steinmeier da vorm Willy-Brandt-Haus auf die Stresemann-Straße lacht, Zuversicht heischend, das ist mehr als tragisch. Am Tag nach dem historischen Absturz gibt’s wirklich nichts zu lachen in der Partei.

Am Tag danach lässt sich der Spitzenkandidat erst gar nicht blicken, als es darum geht, die Niederlage zu verkaufen. Und so ist es Parteichef Franz Müntefering, der aus der Sitzung des SPD-Präsidiums kommt und redet. „Was ist da eigentlich los?“, fragt er rhetorisch. „Haben wir es geschafft, den Menschen deutlich zu machen, was sozialdemokratische Politik ist?“ Müntefering beantwortet die Frage nicht. Doch die Antwort weiß jeder: Natürlich haben es die Sozialdemokraten nicht geschafft. Und derjenige, der als erster für dieses Versagen verantwortlich gemacht wird, heißt Franz Müntefering.

„Es lag nicht am Kandidaten“, sagt Müntefering. Und er sagt, dass es soeben im SPD-Präsidium zwei Mitglieder gab, die seinen Rücktritt gefordert hätten. „Ich habe darauf nicht reagiert.“ Weglaufen will er nicht, sondern Zeit gewinnen. „Ich will mithelfen, dass wir in den nächsten Tagen in den nächsten Wochen uns gut aufstellen.“ In der übernächsten Woche soll die Führungsfrage in der SPD geklärt sein. Und in einem Nebensatz deutet er an, dass er einem Neuanfang an der Parteispitze nicht im Wege stehen will. „Ich weiß um meine Verantwortung.“

Die Parteilinken wollen seinen Kopf. „Ein Desaster“ hatte Ralf Stegner über den Wahlausgang gesagt. „Eine dramatische Lage“, sieht Europa-Fraktionschef Martin Schulz. „Eine Katastrophe“, sagt Hannelore Kraft, die in einem halben Jahr in NRW antreten soll.

Am weitesten wagt sich noch Matthias Platzeck vor. Der brandenburgische Ministerpräsident hat als einziger SPD-Wahlsieger dieses 27. September das nötige Selbstbewusstsein. Kann Münte bleiben? „Ich will, dass Frank-Walter Steinmeier eine wichtige Rolle spielt.“ Also noch mal: Kann Münte Parteichef bleiben: „Ich will eine wichtige Rolle für Steinmeier“, wiederholt sich Platzeck vielsagend.

„Es lag nicht an Personen“, behauptet Klaus Wowereit, um dann selbst zu fordern: „Das eine oder andere neue Gesicht“ müsse nach einer Neuaufstellung der SPD sichtbar sein. Dass der Bürgermeister von Berlin selbst das neue Gesicht sein könnte, ist kein Geheimnis. Zusammen mit Noch-Arbeitsminister Olaf Scholz, Parteivize Andrea Nahles und Noch-Umweltminister Sigmar Gabriel gehört er zu den Namen, die fallen. Dem wird sogar ein Putsch mit dem Ziel zugetraut, selbst Parteichef zu werden.

Dass diese Namen nicht allen in der verunsicherten Partei Vertrauen einflößen, wird aber auch klar. Vor allem die Parteirechte fürchtet einen Linksruck, der den Anspruch der Partei auf die Mitte endgültig an Union und FDP aufgeben würde. Ein Rückzug in die linke Ecke ist aber auch nicht möglich, denn da sind schon Oskar und Genossen.

So erklärt sich der glühende Appell an Steinmeier, als Fraktionschef und nach dem Parteitag im November auch noch Parteichef weiterzumachen.

Wobei die spannende Frage bleibt, inwieweit Steinmeier für einen Neuanfang stehen soll. Wie integrativ ist der Architekt der Agenda 2010, dessen Politik bei der Parteilinken als tiefere Ursache für den Verfall ausgemacht wird? „Nehmen Sie die Rente mit 67“, erklärt Wowereit, „Das ist mathematisch alles richtig, aber emotional war das niemandem vermittelbar.“ Sind solche ungeliebten Maßnahmen tabu für SPD? „Nichts darf tabu sein“, sagt Torsten Schäfer-Gümbel, selbst tragische Figur der Hessen-SPD „Die Zeit der Tabus ist vorbei“, fordert auch Wowereit, und er meint vor allem das Kontakt-Verbot mit der Linken.

Wie die Berührung ohne Ansteckung vonstatten gehen soll, und vor allem mit wem in der verhassten Spitze der Lafo-Gysi-Truppe, das bleibt an diesem Tag danach offen.

Matthias Maus

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.