"Frankreichs Faustrecht": Berlin will Deutschen zurückholen

Die Racheaktion eines Franzosen, der den deutschen Arzt Dieter K. verschleppt hat, ruft jetzt die Diplomatie auf den Plan. Deutschland will den Arzt zurückholen. Er soll 1982 seine Stieftochter getötet und missbraucht haben.
von  Abendzeitung
Der verschleppte Arzt Dieter K. sitzt in Frankreich in U-Haft.
Der verschleppte Arzt Dieter K. sitzt in Frankreich in U-Haft. © dpa

PARIS, BERLIN - Die Racheaktion eines Franzosen, der den deutschen Arzt Dieter K. verschleppt hat, ruft jetzt die Diplomatie auf den Plan. Deutschland will den Arzt zurückholen. Er soll 1982 seine Stieftochter getötet und missbraucht haben.

Die Bundesregierung setzt sich für die Freilassung des aus dem Landkreis Lindau verschleppten und in Frankreich verhafteten deutschen Arztes Dieter K. ein. Das Auswärtige Amt stehe mit den französischen Behörden in Kontakt, sagte ein Sprecher des Ministeriums in Berlin. „Wir bemühen uns um eine Lösung für den Betroffenen, nach Deutschland zurückzukehren.“ Auch die deutsche Botschaft in Paris sei mit dem Fall des 74-Jährigen befasst.

Der Mediziner war 1995 in Frankreich wegen fahrlässiger Tötung eines 15-jährigen Mädchens in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Die deutsche Justiz hatte zuvor ein eigenes Ermittlungsverfahren eingestellt. Sie lehnte das französische Auslieferungsgesuch daher ab. Mehrere europäische Gerichte hatten das französische Gerichtsverfahren verurteilt, weil der Angeklagte nicht anwesend war.

Am vergangenen Wochenende hatte der leibliche Vater des getöteten Mädchens, der jahrelang vergeblich um die Auslieferung des Arztes gekämpft hatte, den Arzt nach Frankreich verschleppen lassen. „Ich bin mit mir selbst in Frieden und mein Ziel ist erreicht. Der Mörder meiner Tochter kommt vor Gericht“, sagte er. Die französische Justiz ermittelt nun wegen Freiheitsberaubung und Entführung gegen ihn. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

"Französische Behörden billigen das Faustrecht"

Der deutsche Mediziner kam unterdessen am Donnerstag in Paris in Untersuchungshaft. Er soll sich in einigen Monaten erneut vor einem französischen Gericht verantworten. Seine Tochter sieht darin einen massiven Verstoß gegen europäische Rechtsvorschriften. Die Verfahrensweise der französischen Behörden billige Faustrecht, betonte ihr Anwalt Nicolas Becker in einer Mitteilung am Donnerstag in Berlin. Dies könnte andere Länder animieren, „sich mit Privatgewalt unter Umgehung von Auslieferungsprozeduren die von ihnen begehrten Verdächtigen zu besorgen“.

Der Arzt war 1997, also zwei Jahre nach seiner Verurteilung in Frankreich, in Kempten wegen Vergewaltigung einer unter Narkose stehenden 16-jährigen Patientin verurteilt worden, allerdings lediglich zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Er hatte ihr zwei Beruhigungsspritzen verabreicht und sich nach einer Magenspiegelung an dem wehrlos auf dem Behandlungstisch liegenden Mädchen vergangen. (dpa)

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