Frank-Walter Steinmeier: Der edle Spender

Frank-Walter Steinmeier schenkt seiner kranken Frau eine Niere – und nimmt dafür eine Auszeit von der Politik. Die Operation soll vermutlich gleich heute stattfinden
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Berlin - Frank-Walter Steinmeier schenkt seiner kranken Frau eine Niere – und nimmt dafür eine Auszeit von der Politik. Die Operation soll vermutlich gleich heute stattfinden

Auch in diesem Moment war er ganz der nüchterne Ostwestfale: „Wir sehen uns dann ja bald wieder“, sagte er freundlich-trocken zur versammelten Hauptstadtpresse. Gerade hatte er angekündigt, dass er für eine Weile aus der Politik aussteigt – weil seine Frau schwerkrank ist und er ihr eine Niere spenden will. Gleich am Mittag begännen die Vorbereitungen, sagte der SPD-Fraktionschef und verschwand.

„Steinmeier gibt heute, 9.30 Uhr, kurzfristig eine Pressekonferenz“, war um kurz vor neun kurzfristig angekündigt worden – ausgerechnet direkt vor der Sitzung des SPD-Präsidiums, wo der Beschluss zur Rente mit 67 gefasst werden soll: ein Formelkompromiss, mit dem Steinmeier noch sein Gesicht wahren kann – tatsächlich aber bedeutet er eine Niederlage. Will er etwa hinwerfen bei diesem Auftritt?

Entsprechend groß ist der Auftrieb. Doch dann geht es gar nicht um die Rente, sondern um etwas sehr persönliches. „Meine Frau ist schwerkrank“, sagt Steinmeier vor der versammelten Presse. Es wird sehr still. Sie sei schon länger nierenkrank, berichtet er. „In den letzten Wochen hat sich die Lage akut zugespitzt. Nur eine Organtransplantation kann helfen.“ Doch die Wartezeiten für ein Spenderorgan seien zu lang, so Steinmeier weiter. „Deswegen werde ich selbst der Spender sein.“

Er wird eine seiner zwei Nieren spenden. „Die ärztliche Expertise, die ich zu Rate gezogen habe, sagt, dass es da gar keine Beeinträchtigung geben wird. Ich gehe davon aus, dass sie mich in alter Frische wiedersehen“, sagt der frühere Außenminister in seiner trockenen Art. Üblicherweise kann der Spender nach sechs bis acht Wochen wieder arbeiten, wenn er einen Büro-Job hat; bei schwerer Arbeit nach drei Monaten, so der Nierenratgeber vom Rechts der Isar.

Steinmeier selbst rechnet damit, dass er im Oktober wieder an Bord sein werde; bis dahin übernehme Fraktionsvize Joachim Poß (Kasten) seinen Job. Und wann ist die Operation? „Im Laufe der Woche“, sagt Steinmeier, gleich am Mittag werde er sich zu den Vorbereitungen in ärztliche Obhut begeben. Laut dpa wird der Eingriff bereits am heutigen Dienstag stattfinden.

Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender haben sich 1988 an der Uni kennengelernt. 1995 wurde geheiratet, 1996 kam ihre Tochter zur Welt. Elke Büdenbender ist Richterin, hält sich aus dem Polit-Leben ihres Mannes raus. Erst bei seiner Kanzlerkandidatur 2009 stieg die ebenfalls recht westfälisch-trockene, schlagfertige und fröhliche Frau ein wenig mehr mit in den Ring.

Eine Auszeit für die kranke Frau – viele in Berlin fühlen sich an den Fall Müntefering erinnert. Der damalige Vizekanzler hatte sich allerdings ganz verabschiedet, kehrte erst nach dem Tod seiner Frau in die Politik zurück. Bei Steinmeier ist es dagegen eine klar definierte Pause. Allerdings: Viele Genossen, die die Rente mit 67 verteufeln, ziehen auch die Parallele, da flüchte wohl jemand, wenn der Erfolg nachlasse. Andere halten das in heftigen Debatten im Internet für zynisch: Wie man jemanden, der so ein Opfer bringt, noch solche Dinge unterstellen kann? Den entscheidenden SPD-Parteitag Ende September, wo dieses Thema ausgefochten wird, wird Steinmeier auf jeden Fall verpassen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Die Nachricht macht deutlich, wie unwichtig manchmal politische Meinungsverschiedenheiten sind.“ Auch der politische Gegner nahm Anteil. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Ich bin in Gedanken in dieser sicherlich schwierigen Zeit beim Ehepaar Steinmeier. Ich wünsche Ihnen Kraft und Zuversicht.“ FDP-Chef Westerwelle unterbrach die Präsidiumssitzung, um Steinmeier anzurufen, und Gesundheitsminister Philipp Rösler sagte: „Steinmeier verdient Hochachtung. Er ist ein Vorbild.“ tan

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