Flüchtlinge stehen Schlange
Berlin. Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland wird 2015 den bisherigen Höchststand aus den 90er Jahren deutlich übersteigen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wird seine Flüchtlingsprognose heute drastisch anheben, wie bereits gestern aus Regierungskreisen durchsickerte. Demnach könnten dieses Jahr bis zu 750 000 Asylbewerber nach Deutschland kommen. Bislang hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit rund 450 000 Asylanträgen gerechnet. Die Fakten und Reaktionen zur Flüchtlingskatastrophe:
Die Zahlen: Die Behörden hatten 1992 mit etwa 440 000 Asylanträgen den bisherigen Rekordstand gezählt. Die Zahlen gingen dann – auch wegen verschärfter Asylgesetze – stark zurück bis auf Werte von etwa 30 000 Asylanträgen in den Jahren 2006 bis 2009. Seitdem stiegen die Zahlen angesichts vieler Krisen wieder kräftig. 2013 gab es rund 127 000 Asylanträge, 2014 bereits gut 200 000. Ebenfalls erhöht hat Bayern seine Prognose und rechnet nun damit, dass in diesem Jahr zwischen 90 000 und 110 000 Asylbewerber im Freistaat untergebracht werden müssen.
Die Klagen: Länder und Kommunen klagen seit Monaten, dass sie kaum wissen, wie sie mit den wachsenden Flüchtlingszahlen fertig werden sollen. Asylbewerberunterkünfte sind überall in Deutschland überfüllt. Auch das BAMF, das alle Asylanträge bearbeitet, ist schwer überlastet. Deutlich mehr als 200 000 unerledigte Anträge haben sich dort angestaut. Das Bundesfinanzministerium kündigte gestern, dass kurzfristig 50 Zollbeamte für bis zu sechs Monate abgeordnet werden, um das BAMF zu unterstützen.
Das Verteilungsproblem: „Es ist langfristig nicht tragbar, dass nur zwei EU-Länder – Deutschland und Schweden – mit leistungsfähigen Asylstrukturen die Mehrheit der Flüchtlinge aufnehmen“, kritisiert der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Antonio Guterres. „Wir müssen die Verantwortung auf mehr Schultern in Europa verteilen.“ Nach den aktuellsten Zahlen werden die meisten Anträge pro Million Einwohner in Ungarn (3322), Schweden (1184), Österreich (1141) und Deutschland (905) gestellt.
Löschungsvorschläge: Flüchtlinge aus Syrien sollten aus Sicht des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann aus dem Asylverfahren herausgenommen werden. Für diese Menschen, die quasi alle ein Bleiberecht in Deutschland bekommen, sollte eine Kontingentlösung geschaffen werden. Das würde Entlastung im Asylverfahren bringen, erklärt der Grünen-Politiker. Niedersachsen Innenminister Boris Pistorius (SPD) fordert außerdem, dass Bauvorschriften für Flüchtlingsunterkünfte vorübergehend gelockert werden. „Es kann nicht sein, dass wir auf der einen Seite immer mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen und wollen, rechtliche Hürden uns aber dabei ausbremsen.“
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