Flucht der Kouachi-Brüder lässt Frankreich zittern
Paris - Nach dem Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" hat die Großfahndung nach den beiden islamistischen Terrorverdächtigen und ein weiterer Polizistenmord Frankreich in Atem gehalten.
Die Regierung mobilisierte landesweit 88 000 Einsatzkräfte, um die mit Maschinenpistolen bewaffneten Attentäter zu fassen und weitere Terrorakte zu unterbinden. Die Polizei verfolgte am Donnerstag eine heiße Spur in Nordfrankreich, doch die verdächtigen Brüder Chérif (32) und Said Kouachi (34) blieben auch weit über 30 Stunden nach dem Terrorakt mit zwölf Toten flüchtig.
Nach dem Fund von Molotow-Cocktails und einer islamistischen Flagge in einem Fluchtauto in Paris gehen die Ermittler davon aus, dass das Duo weitere Anschläge geplant hatte. Die Polizei nahm neun Personen aus dem Umfeld der Terroristen in Gewahrsam, wie Innenminister Bernard Cazeneuve am Abend bekannt gab.
Für neue Terrorangst sorgte am Morgen eine Schießerei im Süden von Paris, bei der ein Unbekannter eine Polizistin tötete und einen Polizisten verletzte. Cazeneuve stellte klar, es gebe keinen erkennbaren Zusammenhang zu dem Anschlag auf "Charlie Hebdo". Er warnte dennoch, die derzeitige Risikolage könne zu weiteren Gewalttaten führen. Am Sonntag wollen sich führende Politiker der EU und USA zu Anti-Terror-Gesprächen in Paris treffen.
In ganz Frankreich gab es am Tag der nationalen Trauer eine Schweigeminute für die Opfer. Tausende hielten Plakate mit dem Schriftzug "Je suis Charlie" (Ich bin Charlie) hoch. Die Glocken der Pariser Kathedrale Notre-Dame erschallten, Staatspräsident François Hollande forderte die Franzosen auf, in dieser schweren Zeit zusammenzustehen.
Der 32-jährige Islamist Chérif wurde laut Innenminister wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Cazeneuve erklärte weiter, Chérif sei gerade noch daran gehindert worden, als Gotteskrieger über Syrien in den Irak zu reisen. Sein Bruder Said sei von Zeugen auf Fotos als Attentäter erkannt worden, sagte der Minister.
Die beiden Männer stammen aus Paris und haben die französische Staatsbürgerschaft. Sie waren nach Angaben von Cazeneuve überwacht worden. Dabei habe es allerdings keinerlei Hinweise auf geplante Terrorakte gegeben.
Ihr mutmaßliche Komplize, ihr Schwager Hamid Mourad (18) hatte sich am Mittwoch nahe der belgischen Grenze der Polizei gestellt. Der Schwager der Brüder beteuerte aber seine Unschuld.
Die Polizei fand in Nordfrankreich das Fluchtauto der mutmaßlichen Attentäter, wie es in Medienberichten hieß. Ein Tankstellenbesitzer nahe Villers-Cotterêts habe die maskierten und bewaffneten Männer eindeutig erkannt. Die Polizei durchsuche die Gegend, in der die beiden Flüchtigen ein weiteres Fluchtauto stehengelassen hätten. Die bereits für den Großraum Paris geltende oberste Alarmstufe wurde auf die Region ausgeweitet.
Die Brüder sollen den bisherigen Ermittlungen zufolge am Mittwoch schwarz vermummt die Redaktion mitten in der Hauptstadt gestürmt und mit Maschinenpistolen um sich geschossen haben. Unter den zwölf Todesopfern waren acht Journalisten von "Charlie Hebdo" und ein weiterer Kollege, der unter anderem für den Radiosender France Inter arbeitete. "Charlie Hebdo" war mehrfach wegen Mohammed-Karikaturen angefeindet worden.
In Deutschland sahen Sicherheitskreise keine Anzeichen für erhöhte Terrorgefahr. Mehrere deutsche Zeitungen verstärkten dennoch ihre Sicherheitsvorkehrungen.
Mehrere französische Blätter druckten am Donnerstag eine fast schwarze Seite Eins. Eine Reihe deutscher Zeitungen druckte Mohammed-Karikaturen und andere religionskritische "Charlie Hebdo"-Zeichnungen nach.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière warnte vor Hetze gegen Muslime. "Terroristische Anschläge haben nichts mit dem Islam zu tun", sagte der CDU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung". Auch de Maizière will am Sonntag nach Paris zu dem Anti-Terror-Treffen kommen. US-Justizminister Eric Holder hat ebenfalls sein Kommen angesagt.
Am Abend gingen in der französischen Haupstadt wieder Tausende Menschen auf die Straße. Sie versammelten sich auf dem riesigen Platz der Republik - nur wenige hundert Meter vom Tatort entfernt - zum stummen Protest.
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