Filzvorwurf: Seehofer watscht Schmid ab

KREUTH - In Kreuth erregt sich die Landtagsfraktion über „arrogante Grünschnäbel“, die eine Studie über das Erscheinungsbild der CSU vorgelegt haben. Und über Fraktionschef Georg Schmid entlädt sich ein Donnerwetter. Auch der Parteichef ist sauer.
Ein Wort mit vier Buchstaben versetzt die CSU schwer in Aufruhr. FILZ! „Verfilzt“ sei die Partei, haben vier junge Bamberger mit ihrer Politikberatung Pragma im Auftrag der Landtagsfraktion herausgefunden. Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, der erst gestern Nachmittag nach Kreuth eilte, watschte dafür Fraktionschef Georg Schmid kräftig ab: Die CSU brauche jetzt keine Selbstgeißelung. Seehofer: „Ich bin Vorsitzender einer selbstbewußten weltoffenen Partei und nicht einer Filzpartei!“
Schon bei der Diskussion am Dienstagnachmittag hatte der ehemalige CSU-Generalsekretär und Ex-Wissenschaftsminister Thomas Goppel Schmid und seine Nachwuchsberater massiv angegriffen. „Wenn ihr das so veröffentlicht, dann macht ihr einen hundsgemeinen Fehler. Die Pragma-Kerle tun mir leid, weil sie keine Ahnung von der Wirklichkeit in den Parteien haben. Man kann vielleicht kritisieren, dass der eine oder andere von uns abgehoben ist. Aber verfilzt sind wir nicht.“ Da aber war’s schon zu spät. Bevor Schmid die Analyse den Abgeordneten vorgestellt hat, hatte er sie bereits der Presse präsentiert (AZ berichtete).
„Es wäre eh rausgekommen“, verteidigte er sich und hoffte auf einen Image-Schub: „Die CSU ist die einzige Partei, die sich einen Spiegel vorhalten lässt. Das zeigt doch, dass wir offener und glaubwürdiger sind als andere.“
Am Abend ging es in Kreuth richtig rund. „Das ist ein schwerer taktischer Fehler“, kritisierten Kabinettsmitglieder. Die Botschaft von Kreuth sei nun: „Die CSU ist verfilzt“. Gerade jetzt, wo Horst Seehofer in Berlin so erfolgreich die Steuersenkung durchgesetzt habe. „Diese Art von Selbstkasteiung war nicht clever“, sagt ein führendes CSU-Mitglied zur AZ. Es sei völlig abwegig überhaupt abzufragen, ob die CSU verfilzt sei. Ein anderer: „Das ist das Dümmste, was man fragen kann.“
Goppel nahm die Analyse auseinander und meinte sarkastisch: Man hätte ja auch noch das Wort „unmoralisch“ dazustellen können, um das bei dem jetzigen Klima auch noch der CSU vorzuwerfen. Dann lehrmeisterte er: „Keiner der Begriffe wurde von den Herrschaften hinterfragt. Das ist eine Analyse von Meinungen, aber nicht die Diagnose einer Partei, für die man eine Therapie sucht.“
Ex-CSU-Chef Erwin Huber: „Der Filz-Vorwurf ist abwegig, schädlich und unbegründet. Wir stehen zu politischen Fehlern und wollen lernen. Aber diese Untersuchung hat keinen Kenntnisgewinn gebracht.“ Sie spiegle lediglich Vorurteile gegen die Politik insgesamt wieder.
Abgeordnete berichten von einer „beschissenen Stimmung“ und beschwerten sich über die „Grünschnäbel“ und deren „arrogante Art“. „Mir braucht hier keiner von denen sagen, dass ich näher zu den Menschen muss“, giftet ein alter CSU-Haudegen. Christa Matschl, die Pragma, eine ehemalige Studentengruppe der Uni-Bamberg, schon bei der Landtagswahl als Berater an ihrer Seite hatte, verteidigt sie: „Das sind junge, frische, intellektuelle Leute. Einer sitzt schon in der Konrad-Adenauer-Stiftung.“ Auch für die „Verfilzung“ hat sie eine Erklärung. Das sei die Reaktion der Bürger auf die Nominierung Monika Hohlmeiers auf der Europaliste. Auch Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein begrüßt die „schonungslose“ Wahlanalyse: „Es ist hilfreich, wenn sie nicht in Watte gepackt, sondern eine Schocktherapie ist.“ Auf die will die Fraktion nun reagieren mit einer Arbeitsgruppe. Ihr Titel: „Aufbruch.“
Angela Böhm