Festnahmewelle in der Türkei
Istanbul - Die türkische Regierung setzt trotz einer leichten Entspannung bei der Protestwelle im Land weiter auf Repression.
Nach den nun fast drei Wochen dauernden Demonstrationen nahmen Anti-Terror-Einheiten am Dienstag mindestens 84 Gesuchte fest, wie türkische Medien berichteten. Die Opposition setzt nun auch auf stillen Protest, bei dem Demonstranten an Brennpunkten stundenlang bewegungslos verharren. Die Aktion eines einzelnen Mannes in der Nacht fand sofort viele Nachahmer.
Die Berichte über den Protest des stehenden Mannes (türkisch: duran adam), der stundenlang auf dem Taksim-Platz stand und in Richtung eines Porträts des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk starrte, hatten sich über den Kurznachrichtendienst Twitter (Hashtag #duranadam) verbreitet.
Nach wochenlangen Auseinandersetzungen zwischen regierungskritischen Demonstranten und der türkischen Polizei war die Nacht zum Dienstag in Istanbul vergleichsweise ruhig.
Wie Aktivisten über soziale Netzwerke mitteilten, gab es auf dem zentralen Taksim-Platz lediglich Festnahmen, als sich Dutzende Gegner der islamisch-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan dem stillen Protest des einzelnen Demonstranten anschlossen. Andernorts in Istanbul habe die Polizei erneut Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt. Auch aus der Hauptstadt Ankara wurden wieder Zusammenstöße gemeldet.
Am frühen Morgen begannen Anti-Terror-Einheiten damit, Wohnungen in Istanbul, Ankara und der nordwestlichen Provinz Kocaeli zu durchsuchen. Den Festgenommenen werden vorgeworfen, in die Proteste gegen die Regierung verwickelt und für Gewalt gegen Polizisten verantwortlich zu sein, hieß es in Medienberichten. Regierung und Behörden hatten in den vergangenen Tagen erklärt, es sei bekannt, wer die Demonstrationen mitorganisiert und unterstützt habe. Siue müssten mit Strafen rechnen. Es seien Metallkugeln und Material für den Bau von Brandsätzen gefunden worden.
Die landesweite Protestwelle hatte sich an der brutalen Räumung eines Protestlagers im Gezi-Park in unmittelbarer Nachbarschaft des Taksim-Platzes entzündet, das am Wochenende zum zweiten Mal geräumt wurde. Die Regierung plant dort den Nachbau einer osmanischen Kaserne mit Wohnungen, Geschäften oder einem Museum. Inzwischen richten sich die Demonstrationen aber vor allem gegen den autoritären Regierungsstil Erdogans.