FDP und Grüne jubeln: Die Freude der Kleinen

MÜNCHEN - Außer der FDP verlieren fast alle Parteien. Die meisten reden sich ihre Verluste schön. Dabei blieben oft einfach nur die Wähler zu Hause und sorgten so für die guten Ergebnisse.
Jubel bei FDP und Grünen, Durchschnaufen bei der Union, tiefe Depression bei der SPD: Die Europawahl hat die deutsche Parteienszene in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt. Seit Donnerstag waren Europas 375 Millionen Wahlberechtigte in den 27 EU-Staaten zur Wahl aufgerufen. Gestern hatten auch die Deutschen das Wort. Die AZ fasst die wichtigsten Ergebnisse und Folgen zusammen:
FDP-Guido als wahrer Gewinner: Westerwelle konnte gestern Abend vor Stolz kaum laufen – verständlich: Denn die Liberalen gehen als unumstrittene Sieger aus der EU-Wahl hervor. Sie sprangen von 6,1 auf deutlich über zehn Prozent. Und, bedeutsam für die nun anstehenden Koalitionsrechenspiele von Berlin: Es gibt eine deutliche Kräfteverschiebung im schwarz-gelben Lager: Die Union verliert kräftig, und die FDP legt fast ebenso stark zu. Gemessen am gestrigen Ergebnis wäre Schwarz-Gelb die einzige rechnerisch mögliche Mehrheit. Weder Rot-Grün noch Rot-Rot-Grün noch die Ampel hätten eine Chance. Westerwelle war am Ende völlig euphorisiert und zitierte einfach die Europahymne: "Freude schöner Götterfunken".
Die Grünen als Dritte – mindestens: Auch die Ökos übten sich gestern in der Sportart "Wir siegen in der Niederlage". Sie verloren zwar leicht, verspürten aber trotzdem Oberwasser. Denn mit deutlich über elf Prozent blieben sie die stärkste der kleinen Parteien.
Enttäuschung bei Linke und Freien Wählern
Enttäuschung gab es dagegen bei der Konkurrenz: Die Linke blieb deutlich unter der angestrebten Zehn-Prozent-Marke. Und für die Freien Wähler gab es zwar in Bayern respektable sieben Prozent. Bundesweit gesehen bleiben sie mit unter zwei Prozent auf dem Status einer Splitterpartei – Oberwasser für die internen Gegner eines bundesweiten Antritts. Spitzenkandidatin Gabriele Pauli sendete diffuse Signale aus: Sie will bei der Bundestagswahl mit einer eigenen Partei antreten, aber gleichzeitig bei den Freien Wählern bleiben.
Der Streit um den EU-Posten: Die Union erhebt nun noch lauter Anspruch auf den Posten des deutschen EU-Kommissars. Dafür ist Ex-Fraktionschef Friedrich Merz im Gespräch. Die SPD könne jedenfalls mit ihrem Wahlergebnis keinen Kommissar mehr stellen, sagte Generalsekretär Ronald Pofalla. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wies dies zurück. Er hält am SPD-EU-Spitzenkandidaten Martin Schulz für den Posten fest.
Und wo waren die Wähler? Die meisten jedenfalls nicht im Wahllokal. Die Wahlbeteiligung sank europaweit auf ein Rekordtief von 43 Prozent. Deutschland liegt genau auf díesem Wert.
mue