FDP kritisiert Untätigkeit bei Wahlrechtsreform
Berlin (dpa) - Die notwendige Reform des Wahlrechts sorgt weiter für Uneinigkeit in der schwarz-gelben Koalition. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Jörg van Essen, kritisierte in der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) den Koalitionspartner:
"Die Bereitschaft der Union, das Problem der Überhangmandate anzugehen, ist relativ gering." Politiker der Opposition mahnen immer eindringlicher die vom Bundesverfassungsgericht bis Ende Juni verlangte Neuregelung an.
"Wenn das Wahlrecht nicht rechtzeitig reformiert wird, laufen wir auf eine Staatskrise zu. Denn die Bundesrepublik hat dann kein verfassungsgemäßes Wahlrecht mehr", sagte der Grünen-Politiker Volker Beck der Zeitung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, warnte: "Wenn nach einer Bundestagswahl einer Mehrheit nach Zweitstimmen eine andere Mehrheit nach Mandaten gegenüber steht, dann droht Deutschland eine Verfassungskrise."
Nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss das Wahlrecht bis zum 30. Juni reformiert werden. Die Karlsruher Richter hatten 2008 das negative Stimmgewicht für verfassungswidrig erklärt. Künftig muss verhindert werden, dass eine Partei bei Bundestagswahlen mehr Mandate dadurch bekommt, dass sie in bestimmten Ländern weniger Zweitstimmen erhält. Derzeit hat die Union davon einen Vorteil, da sie 24 solcher Überhangmandate im Bundestag hat.
Der Wahlforscher Joachim Behnke hält ein erneutes Eingreifen des Verfassungsgerichts für möglich. "Kommt es nicht rechtzeitig zu einer Einigung, könnte das Verfassungsgericht selbst eine Übergangsregelung festsetzen", sagte er der FAS. "Das wäre eine heftige Ohrfeige für die Politik."