FDP-General Niebel: „Seehofer muss jetzt aufpassen“

Der Generalsekretär der FDP spricht wenige Tage vor der Wahl im AZ-Inteview über das ständige Ausgepeitschtwerden durch CSU-Chef Horst Seehofer, den Wert von Koalitionsschwüren und den ewigen Guido
AZ: Beileid, Herr Niebel! Jetzt sind sie wieder in einer Rolle angekommen, in der man sie kennt: als Anhängsel der Union.
DIRK NIEBEL: Keine Sorge: Wir bleiben eigenständig. Jetzt geht es um Klarheit vor der Wahl, was wir mit wem erreichen wollen. Vor allem wird es mit uns nur einen Koalitionsvertrag geben, in dem eine echte Steuerstrukturreform verankert ist. Ich bin froh, dass die CSU jetzt auch deutlich gemacht hat, wohin sie gehen will.
Folgendes Szenario: Am Wahlabend langt es wieder nicht für Schwarz-Gelb. Fällt die FDP dann um?
Nein, unser Versprechen gilt. Wenn Sie sich die Programme von SPD und Grünen ansehen, stellen Sie fest: Die passen viel besser zu den Linken. Die wollen die Menschen belasten, wir hingegen wollen sie entlasten. Wir regieren gerne, aber nicht um jeden Preis.
SPD, Grüne und viele Wähler glauben aber: Am Ende geht die FDP lieber zu SPD und Grünen als in die Opposition.
Ich könnte es mir noch in die Stirn einritzen, und Herr Steinmeier würde es mir trotzdem nicht glauben - oder wenigstens so tun. Er täuscht die Wähler bewusst. Wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht, dann sage ich Ihnen voraus: Die SPD rettet sich erst für eine Schamfrist von ein, zwei Jahren noch mal in eine große Koalition. Und dann macht sie ein Linksbündnis mit Grünen und Linken.
Dabei wären viele innenpolitische Inhalte für die FDP mit Grünen und SPD viel leichter durchsetzbar.
Einspruch. Schon Rot-Grün hat Zug um Zug Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten beschlossen. Und Schäuble als Innenminister setzt diesen Weg von Otto Schily fort. Dem müssen wir ein Ende setzen.
Noch dazu sind SPD und Grüne viel netter zu Ihnen als etwa die CSU. Brauchen Sie eigentlich das ständige Ausgepeitschtwerden durch Horst Seehofer?
Herr Seehofer lernt hier in Bayern jetzt seit einem Jahr, das Wort Koalition zu buchstabieren. Das ist nicht leicht für ihn. Ein gewisses Maß an Verständnis habe ich dafür: Wenn man plötzlich mit neuen Regeln konfrontiert wird, muss man sich umstellen. Aber er muss aufpassen, dass er nicht am Ende das entscheidende Foul zu viel macht – und plötzlich sieht er Rot.
Will Seehofer durch sein Geholze Schwarz-Rot zementieren?
Wir sind den Eindruck nicht losgeworden. Die Union regiert eben mit beinahe allen: mit uns, in Hamburg mit den Grünen, im Bund und in mehreren Ländern mit der SPD. Wer also Schwarz-Gelb wirklich will, muss deswegen FDP wählen. Trotz aller Treueschwüre jetzt: Bei der Union weiß man diesmal nicht so genau, wofür die Stimme tatsächlich benutzt wird.
Offenbar nimmt man Sie in der Union auch nicht richtig ernst. Guttenberg nennt Ihre Steuerpläne "Träumerei".
Die Union hat in der Finanzpolitik gemeinsam mit der SPD schwere Fehler gemacht. Stichwort Mehrwertsteuererhöhung und Enteignungsdebatte. Jeder Fachkundige weiß aber: Wir brauchen weniger Subventionen, mehr Ausgabendisziplin, mehr Wachstum – so finanzieren wir die von uns geplanten Steuersenkungen.
Wo ist eigentlich die personelle Substanz der FDP für all das? Eigentlich ist die FDP eine Ein-Mann-Partei.
Es gibt keinen einsamen Wolf Westerwelle. Wir haben eine erfahrene Mannschaft, auch mit frischem Nachwuchs. Und Westerwelle ist mit diesem Team der erfolgreichste Parteichef der FDP-Geschichte.
Früher war er ein Spaßvogel, jetzt markiert er den seriösen Staatsmann, wann kommt er bei sich an?
Das ist eine Außensicht. Er war nie so ein Spaßvogel, aber vielleicht anfangs zu unbekümmert. Guido Westerwelle ist ein in sich gefestigter Politiker, der seine Entwicklung nicht verbirgt und sie auch noch nicht beendet hat. Ich ahne, dass es bei manchem Journalisten ähnlich ist.
Interview: mak, mue, tan