Fast jeder Dritte lässt schwarz arbeiten
MÜNCHEN - Putzen, Tapezieren oder Kinderbetreuung ohne Rechnung: Fast jeder dritte Bundesbürger beschäftigt Schwarzarbeiter. Der Zoll fahndet nur nach den großen Fischen und lässt die kleinen Schwarzarbeiter laufen. Dennoch: Wer ertappt wird, dem drohen Strafen bis zu 300.000 Euro.
Die Putzfrau für ein paar Stunden Arbeit anmelden? Dem Gärtner sagen, dass man doch eine Rechnung haben will? Nein danke! „Schwarzarbeit wird von der Bevölkerung weitgehend akzeptiert“, sagt Karen Horn vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
Das IW hat Schwarzarbeit in deutschen Haushalten untersucht. Das Ergebnis: 4,5 Millionen Haushalte beschäftigen Haushaltshilfen fürs Putzen, die Kinderbetreuung, das Bügeln, die Gartenarbeit. 95 Prozent der Haushaltshilfen arbeiten am Fiskus vorbei. 80 Prozent der Deutschen haben kein schlechtes Gewissen dabei. Jeder dritte Erwachsene hat 2007 Arbeiten für rund 1000 Euro ohne Rechnung vergeben. Jeder Fünfte arbeitet selbst schwarz, für durchschnittlich zehn Euro pro Stunde. Der Schaden von Schwarzarbeit wird von anderen Forschern auf 348 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Viele alte Menschen sind auf illegale Pflege angewiesen
Die Motive sind verschieden: Viele ältere Menschen, mit 38 Prozent die größten Nachfrager von Haushaltshilfen, können sich Pflege nicht leisten und beschäftigen illegal Billig-Pflegerinnen aus Osteuropa. Viele Paare ohne Kinder, die auf Platz zwei der Nachfrager liegen, wollen ein paar Euro mehr in der Doppelverdiener-Kasse haben. Strafbar machen sich freilich beide Gruppen.
Insgesamt kommen die „familienunterstützenden Dienstleistungen“ mit 16 Prozent auf Platz zwei bei der Schwarzarbeit. Am meisten gemauschelt wird bei Handwerksleistungen rund um den Hausbau: Dieser Bereich macht 19 Prozent der Schattenwirtschaft aus. Auf Platz drei folgen Autoreparaturen mit 13,7 Prozent.
Illegale Putzfrauen, Kindermädchen und Gärtner können sich aber relativ sicher fühlen: Der Zoll, der für die Verfolgung von Schwarzarbeit zuständig ist, hat es mehr auf die großen Fische abgesehen. „Es geht um große Firmen, die Hunderte illegal beschäftigen und Millionen damit verdienen“, sagt René Matschke, Leiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Münchner Hauptzollamt, zur AZ. „Der Maler, der am Wochenende mal was ohne Rechnung macht, ist nicht der Fall, der die deutsche Wirtschaft zugrunde richtet.“ Weil die Umsätze einer Putzfrau so gering sind, lohnt sich für den Zoll oft der Personalaufwand für eine Razzia nicht. Weil die Wohnung in Deutschland per Grundgesetz geschützt ist, können die Fahnder dort nicht so leicht auftauchen wie auf dem Bau. „Spontan-Prüfungen gibt es nicht, nur konkreten Hinweisen gehen wir im Einzelfall nach“, sagt Matschke. Bei illegalen Pflegediensten oder Putzkolonnen geht es dem Zoll weniger um die Haushaltshilfen als um die, die mit der Vermittlung der Schwarzarbeiter viel Geld machen.
Das Institut der deutschen Wirtschaft rechnet vor: Wenn alle Schwarz-Arbeitgeber-Haushalte ihre Beschäftigten anmelden würden, entstünden 600000 Vollzeitstellen.
Wer erwischt wird, kann drei Jahre ins Gefängnis wandern
Was ist strafbar? Strafbar machen sich Arbeitgeber, die Menschen beschäftigen, ohne Sozialversicherungsbeiträge für sie zu zahlen. Ebenfalls strafbar machen sich Sozialhilfeempfänger, die illegal dazuverdienen und Menschen, die ohne Gewerbe-zulassung arbeiten.
Wer wird bestraft? Wer eine Putzfrau, einen Gärtner oder eine Pflegekraft für weniger als 400 Euro im Monat beschäftigt, muss sie bei der Minijob-Zentrale anmelden. Auf den Monatslohn fallen 13,7 Prozent Pauschalbetrag für Krankenversicherung, Rente und Unfallversicherung an. Tut der Arbeitgeber das nicht, macht er sich wegen Steuerhinterziehung und Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen strafbar. Der Schwarzarbeiter kommt in diesem Fall straffrei davon. Bezieht er jedoch Hartz IV oder andere Sozialleistungen, ist er dran. Ärger gibt es auch für Handwerker, die ein Gewerbe angemeldet haben und ohne Rechnung arbeiten. Jeder Handwerker ist verpflichtet, Rechnungen auszustellen, auf die er Umsatzsteuer zahlen muss. Für Verstöße drohen bis zu drei Jahre Gefängnis und Geldstrafen von bis zu 300000 Euro.
Gibt es Ausnahmen? Ja. Ausgenommen sind Angehörige und Lebenspartner. Keine Steuern müssen auch bei der Nachbarschaftshilfe gezahlt werden. Diese Hilfe liegt schon vor, wenn „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ im gleichen Sportverein sind.
Volker ter Haseborg
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