Fall Skripal: Wendepunkt bei internationalen Beziehungen

AZ-London-Korrespondent Jochen Wittmann über den Fall Skripal und die weitreichenden Folgen.
von  Jochen Wittmann
"Der Wendepunkt": AZ-London-Korrespondent Jochen Wittmann kommentiert den Fall Skripal
"Der Wendepunkt": AZ-London-Korrespondent Jochen Wittmann kommentiert den Fall Skripal © dpa

Der Fall Skripal hat geopolitische Dimensionen erreicht. Die Nato, die EU-Partner und die USA teilen die britische Einschätzung, dass Russland die Verantwortung für den Anschlag trägt: Entweder sei der Mordversuch staatlich sanktioniert gewesen oder Russland habe die Kontrolle über den Nervenkampfstoff Nowitschok verloren und sei Schuld, dass er in die Hände anderer Akteure gelangt sei.

Die Wahl der Waffe ist der eigentliche Affront. Der erste Einsatz eines Chemiekampfstoffes in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ist ein Vorfall, bei dem keiner mehr wegschauen kann. Moskau hat auch vorher schon auf britischem Boden missliebige Exil-Russen umgebracht. Der Fall Alexander Litwinenko lässt grüßen. Zur Zeit werden vom Innenministerium 14 weitere mysteriöse Todesfälle untersucht. Und die Anti-Terror-Polizei ermittelt im Mordfall Nikolai Gluschkow. Hatte man vorher manches ignoriert, geht das jetzt nicht mehr. Denn der Einsatz eines Nervengiftes ist ein Paradigmenwechsel. Er ist eine Provokation von neuer Qualität: Seht her, scheint Russland demonstrieren zu wollen, was wir mit Verrätern anstellen können, und es schert uns keinen Deut, wenn die Spur zurück nach Moskau führt.

Sollte das wirklich so sein, ist der gesamte Westen herausgefordert. Der Anschlag ist "ein Affront auf das auf Regeln basierende System, auf das wir und unsere internationalen Partner angewiesen sind", sagt die britische Premierministerin Theresa May – und fordert eine Kurskorrektur. Die britische Regierung arbeitet daran, einen kollektiven Sanktionsschritt des Westens zu organisieren. Es sieht immer mehr danach aus, dass der Fall Skripal zu einem Wendepunkt in den Beziehungen zwischen dem Westen und Putins Russland werden wird.

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