Fall Haderthauer: Wie schlimm ist Kritik an Strauß?

Die CSU führt eine seltsame Debatte: Ob einer jungen Ministerin Skepsis erlaubt ist. Und leise auch darüber, wie falsch es ist, das aufzubauschen
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„Faszinierend“, aber nicht zur Nachahmung empfohlen: FJS
dpa „Faszinierend“, aber nicht zur Nachahmung empfohlen: FJS

MÜNCHEN - Die CSU führt eine seltsame Debatte: Ob einer jungen Ministerin Skepsis erlaubt ist. Und leise auch darüber, wie falsch es ist, das aufzubauschen

Ist es ein Frevel, wenn eine junge moderne CSU-Ministerin den alten Franz Josef Strauß nicht direkt als ihr persönliches Vorbild sieht? Rechtfertigt ihre distanzierte Haltung gar einen Rauswurf aus dem Kabinett? Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer marschierte gestern selbstbewusst im Ministerrat auf und tat, als wenn nichts gewesen wäre. Seehofer dagegen drohte in der Vorbesprechung zum Kabinett seinen Ministern, er werde es nicht mehr durchgehen lassen, dass aus Sitzungen geplaudert wird.

Am Sonntagabend hatte Seehofer in einer Runde führender CSU-Politiker erklärt, er habe kurz überlegt, seine Sozialministerin „rauszuschmeißen", ihr aber doch noch eine „Bewährungsfrist“ eingeräumt. Haderthauer hatte vergangene Woche in einem Interview erklärt, Strauß sei kein Vorbild für sie. Sie lobte ihn als „superinteressant, imponierend und faszinierend“. Schränkte aber ein: „Da gab’s dann doch viele Dinge, die ich jetzt vielleicht anderen nicht zur Nachahmung empfehlen würde.“ Dafür bekam sie von Parteichef Horst Seehofer und CSU-General Alexander Dobrindt sofort die Gelbe Karte. Und eine Losung an alle: „Strauß ist ein Vorbild.“

Am Sonntag war für Seehofer alles zusammengekommen: Haderthauer hatte auch noch in der AZ gefordert, sein Zukunfts-Gremium müsse mit genau so viel Frauen wie Männern besetzt werden. „Die soll sich lieber um ihre Arbeit kümmern“, giftete er. Noch gestern im Kabinett ärgerte er sich: „Ich lass’ mir doch von der AZ nicht meine Kommission besetzen.“ Und rechtfertigte sich, dann müsse er auch auf „evangelisch und katholisch, auf BMW-Betriebsrat und Audi-Betriebsrat“ Rücksicht nehmen.

Haderthauer rechtfertigte sich im Kabinett nicht, auch wenn die Parteispitze nun schon seit fünf Tagen über FJS debattiert. Denn die Stimmung läuft für sie. „Ich glaube, dass sie ihre Arbeit als Ministerin sehr gut macht, und man sollte ihr die Chance geben, es weiter zu tun“, sagte der EU-Abgeordnete und CSU-Vorständler Bernd Posselt.

"Frau Haderthauer hat recht"

Hinter vorgehaltener Hand, kritisieren Kabinettsmitglieder Seehofers Stil: „Dass Strauß nicht das Leitbild einer modernen Partei sein kann, war doch schon Allgemeingut in der CSU.“ In den Internetforen geht es rund. Die überwiegende Meinung: „Frau Haderthauer hat recht.“ Ein führender CSU-Politiker zur AZ: „Es ist ein kapitaler Fehler der Parteiführung, ein solches Thema derart aufzubauschen.“ Die Strauß-Diskussion verdecke die ganze EU-Wahl. Die CSU rede jetzt wieder über die Vergangenheit statt über die Zukunft. Und: „In der CSU weiß jeder, dass das Machtsystem Strauß heute nicht mehr ginge. Den Bruch mit Franz Josef Strauß hat ja schon sein gelehrigster Schüler Edmund Stoiber begangen.“

Doch offen widersprechen traut sich derzeit in der CSU niemand. Seehofer macht alle klein. „Von dem neuen Stil, den er versprochen hat, keine Spur“, klagt einer aus dem Parteivorstand. Das habe nichts mehr mit „Demokratie, Diskussion und Dialog“ zu tun, sondern sei nur noch ein Erwarten von Befehlen und Gehorsam. Manche weinen fast Stoiber nach: „Der war im Gegensatz zu Seehofer ein Muster von Diskussionsfreude“, sagt ein CSU-Präside. Landesgruppenchef Peter Raumsauer versuchte, die Diskussion zu beenden: „Das ist überflüssig. Wir haben jetzt andere Probleme.“

Angela Böhm

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