Fall Amri: Chance zur Festnahme nicht genutzt

Der Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri hätte möglicherweise bereits im Juli 2016 in Haft genommen und der Anschlag damit vielleicht verhindert werden können.
dpa |
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Polizisten stehen vor dem zerstörten LKW am 20. Dezember 2016 am Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin.
Michael Kappeler/dpa Polizisten stehen vor dem zerstörten LKW am 20. Dezember 2016 am Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin.

Düsseldorf - Damals war der Islamist in einem Fernbus auf dem Weg in die Schweiz in Süddeutschland mit gefälschten italienischen Pässen festgenommen, aber wieder freigelassen worden. Generalbundesanwalt Peter Frank sagte am Freitag im Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags, in einem ähnlichen Fall sei es gelungen, einen Terrorverdächtigen über den Umweg der Urkundenfälschung mit Haftbefehl in Untersuchungshaft zu bringen. Zuvor habe der Bundesgerichtshof diesen Mann auf freien Fuß gesetzt, weil sich der Terrorverdacht nicht ausreichend habe erhärten lassen.

Seine Behörde hätte die Akten dafür im Fall Amri freigegeben, sei aber nicht gefragt worden, erklärte Frank in seiner Düsseldorfer Anhörung. Er widersprach damit dem NRW-Sonderermittler Bernhard Kretschmer, der erklärt hatte, der Generalbundesanwalt habe die Erkenntnisse damals nicht freigeben wollen.

Als Frank ein entsprechender Aktenvermerk über ein Gespräch zwischen seiner Behörde und dem Landeskriminalamt NRW vorgehalten wurde, wonach einer Freigabe widersprochen wurde, sagte Frank, er kenne den Vermerk nicht, werde das aber klären. Ob es damals tatsächlich für einen Haftbefehl gereicht hätte, wollte der oberste deutsche Ankläger aber nicht sagen: "Das maße ich mir nicht an, ich kenne die damalige Aktenlage nicht."

Erkenntnisse der Geheimdienste sind oft nicht gerichtsverwertbar

Zuvor hatte Frank auf die schwierige Beweislage bei Terroranschlägen mit Alltagsgegenständen wie im Fall Anis Amri hingewiesen. Wer keine Waffen oder Sprengstoffe horte, weil er Messer oder Auto nutzen wolle, dem sei eine Terrorabsicht im Vorfeld sehr schwer nachzuweisen, erklärte Frank. Erkenntnisse der Geheimdienste oder von verdeckten Ermittlern seien oft nicht gerichtsverwertbar.

"Vor Gericht heißt es: Hose runter. Damit gewinnt auch die Verteidigung Einblick in die Akten. Es wird alles offengelegt", sagte Frank. Die Vertrauensperson, die Erkenntnisse über Amri geliefert habe, habe eine Schlüsselrolle in mehreren wichtigen Ermittlungsverfahren gespielt, so auch beim mutmaßlichen Terror-Netzwerk um Abu Walaa.

Für die Einleitung von Ermittlungen könne zwar ein Behördenzeugnis reichen, für eine Festnahme nicht. Amri war Ende Juli 2016 vorläufig festgenommen worden, es war ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet worden. Am 1. August 2016 war Amri aber aus der Justizvollzugsanstalt Ravensburg entlassen worden.

Der Ausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags untersucht, wie es dem Tunesier gelingen konnte, den Anschlag mit zwölf Toten auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember zu begehen, obwohl er als islamistischer Gefährder im Visier der Sicherheitsbehörden war.

Lesen Sie hier: Messer-Angriff auf Kurden in Brüssel

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