Europa, Flüchtlinge, Wirtschaft: Sebastian Kurz und sein Politikprogramm
Sebastian Kurz, Österreichs Bundeskanzler, hat europaweit als Mann klarer Worte besonders in der Asylpolitik Furore gemacht. Wie aber sieht sie im Detail aus, die Politik seiner neuen Regierung? Ein Überblick.
Wien - Am Donnerstag ist er seit genau einen Monat im Amt. Sebastian Kurz führt als Österreichs Bundeskanzler - und als jüngster Regierungschef in Europa - eine Koalition aus seiner konservativen Volkspartei (ÖVP) und der rechtspopulistischen FPÖ von Heinz-Christian Strache. Im europäischen Ausland steht vor allem die Europa- und Flüchtlingspolitik der schwarz-blauen Bundesregierung im Mittelpunkt von Bedenken. Und auch in Österreich wird die Arbeit der Regierung mit Skepsis betrachtet. Am vergangenen Wochenende erst demonstrierten Zehntausende Menschen in Wien gegen die Regierung - gegen Sozialabbau, gegen eine Verschärfung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, gegen eine Abkehr von Europa.
Was plant Sebastian Kurz, wie sieht seine Politik aus, in welche Richtung geht Österreich? - Die Agenda im Überblick
Europapolitik: Ja zur EU, Nein zu Fehlentwicklungen
Aus dem Land einer Zweidrittel-Zustimmung für den EU-Beitritt 1995 ist eine Nation der Euroskeptiker geworden. Im Wahlkampf war sogar die von der FPÖ ins Spiel gebrachte Volksabstimmung über einen Öxit ein Thema. Davon ist im schwarz-blauen Regierungsprogramm keine Rede mehr. Kanzler Kurz hat in seiner ersten Regierungserklärung ein klares Bekenntnis zu Europa abgelegt - und quasi zur Untermauerung seinen ersten Auslandsbesuch der Europäischen Union gewidmet (am Montag dann der Antrittsbesuch in Berlin). Dort betonte er die Bedeutung des "Friedensprojekts der Europäischen Union" für sein Land. Allerdings kündigte Kurz an, dass Österreich während seiner EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 "bei Fehlentwicklungen gegensteuern" wolle - und nennt dabei nicht nur die Migrationspolitik, sondern auch, "wenn Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Gefahr sind" in einzelnen Mitgliedsstaaten.
Spannend wird sein, wie sich der traditionell europakritische Koalitionspartner, die FPÖ, verhalten wird. Wohl schon als Vorsichtsmaßnahme hat Kurz die Europa-Agenden, welche bisher beim nun von der FPÖ gehaltenen Außenministerium angesiedelt waren, seinem Bundeskanzleramt unterstellt.
Flüchtlingspolitik: Scharfer Kurs, noch schärfere Töne
Schon jetzt zeigt sich: Österreichs neue Bundesregierung verschärft ihren harten Kurs gegen Ausländer und Migranten deutlich. Bereits beschlossen ist die Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder trotz Bedenken aus der EU. "Es bringt mehr Gerechtigkeit, wenn die Familienbeihilfe an die Lebenserhaltungskosten im jeweiligen Land angepasst wird", rechtfertigt Kanzler Kurz die Maßnahme. Diese betrifft hauptsächlich in Österreich beschäftigte Ausländer, deren Kinder in der Heimat leben.
Der Vorstoß von Vizekanzler Strache, Asylbewerber in Kasernen unterzubringen und teilweise Ausgangssperren zu verhängen, wurde nach viel Kritik schnell wieder relativiert. Strache distanzierte sich von entsprechenden Äußerungen in einem Interview. Die Regierung verfolge laut Strache vielmehr das Ziel, illegale Migration zur Gänze zu stoppen. Für Empörung sorgte vor wenigen Tagen auch der neue FPÖ-Innenminister Herbert Kickl. Er forderte, Asylbewerber künftig "konzentriert" in Grundversorgungszentren unterzubringen. Auf Nachfrage bestritt Kickl, die Formulierung in Anlehnung an die NS-Konzentrationslager benutzt zu haben.
Wirtschaftspolitik: Kein "Durchschummeln", aber auch kein Hartz IV
Mit der Ersparnis durch die gekürzte Familienbeihilfe kündigte die Regierung die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen an. Durch Einschnitte in Verwaltung und Ministerien sollen 1,4 Milliarden Euro eingespart werden. Die Regierungsspitze kündigte zudem eine Deregulierungsoffensive sowie eine integrierte Klima- und Energiestrategie an.
Doch im Regierungsprogramm finden sich auch zahlreiche Härten. Beispiel: In bestimmten Fällen soll auf das Vermögen von Arbeitslosen zugegriffen werden. Diejenigen Arbeitslosen müssten mit einer solchen Verschärfung rechnen, die erst kurz Sozialbeiträge eingezahlt hätten und sich "durchschummeln" wollten, sagt Kurz. Einen Vergleich mit der Arbeitsmarktreform in Deutschland lehnte Kurz ab. "Es wird keine Einführung von Hartz IV geben und dabei bleibt es auch."
Die Details des neuen Modells in Österreich sollen bis zum Jahresende erarbeitet werden. Das Konzept von konservativer ÖVP und rechter FPÖ sieht vor, die Notstandshilfe abzuschaffen. Sie ist eine immer wieder verlängerbare Anschlussleistung an das Arbeitslosengeld in Höhe von rund 95 Prozent des Arbeitslosengelds. Statt der Notstandshilfe würden die Betroffenen künftig eine Mindestsicherung beziehen. Diese Sozialleistung erlaubt aber im Prinzip den Zugriff auf das Vermögen der Bezieher. Davon sollen alle ausgenommen werden, die schon lange ins System eingezahlt haben und kurz vor der Rente stehen.
Sebastian Kurz hat in seiner Regierungserklärung dem Land Ordnung und Sicherheit versprochen, "treffsichere" Sozialsysteme, bessere Bildungsmöglichkeiten. Auf dem Weg dorthin, so kommentierte es die konservative Tageszeitung Die Presse "wird vieles strenger werden in Österreich."
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