Eurokritiker kämpfen in Karlsruhe gegen Rettungsschirm
Karlsruhe - Die Gegner der Euro-Rettung verwiesen bei der Verhandlung am Dienstag in Karlsruhe ihrerseits darauf, dass der Rettungsschirm kaum einschätzbare Risiken mit sich bringe. Eine Zustimmung zu den Verträgen lasse sich nicht mehr rückgängig machen. Dem Bundestag entgleite die Haushaltshoheit.
Mehrere Gruppen von Klägern wollen den Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt stoppen, darunter die Fraktion der Linken im Bundestag, der CSU-Politiker Peter Gauweiler und der Verein "Mehr Demokratie", dessen Klage sich inzwischen rund 21 000 Bürger angeschlossen haben. Im Eilverfahren geht es aber allein darum, ob der Bundespräsident die genannten Gesetze unterschreiben darf oder damit warten muss, bis das Gericht über mehrere Klagen in der Hauptsache entschieden hat.
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle deutete an, dass das Gericht unter Umständen bereits im Eilverfahren eine ausführlichere Prüfung vornehmen könnte. Dies würde dann aber auch länger dauern als die üblichen drei Wochen. Allerdings könnte damit eine Verunsicherung der Märkte durch eine weitgehend formale Entscheidung im Eilverfahren vermieden werden.
Wie schwierig die Lage ist, machte Schäuble deutlich. "Zweifel an der verfassungsrechtlichen Möglichkeit oder der Bereitschaft der Bundesrepublik Deutschland, Gefahren für die Stabilität der Eurozone abzuwenden, könnten dazu führen, dass die derzeitigen Krisensymptome deutlich verstärkt würden." Nach seiner Einschätzung könnte es zu einer verstärkten Spekulation über den Austritt einzelner Staaten aus dem Euro kommen. Die Refinanzierungskosten würden steigen.
Für die Kläger argumentierte der Prozessvertreter des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler, das von Bundestag und Bundesrat beschlossene Gesetzespaket öffne "das Tor zu einer Haftungs- und Transferunion". Daran dürfe sich Deutschland aber nur beteiligen, wenn das Volk darüber abstimme.
Roman Huber vom Vereins "Mehr Demokratie" begründete seine Klage damit, "dass Parlamentarier künftig weiter selbstständig entscheiden können und nicht nur alternativlose Politik nachvollziehen". Europa stehe vor entscheidenden Änderungen, die nur gemeinsam mit den Bürgern umgesetzt werden dürften.
Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, sagte, die "rote Haltelinie des Grundgesetzes" sei erreicht. Eine Abstimmung über ein neues Grundgesetz würde auch neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen - etwa für die Aufnahme sozialer Grundrechte.
Voßkuhle warb um Verständnis: "Nach alledem zeigt sich, dass die Entscheidungsfindung in mehrfacher Hinsicht nicht einfach ist." Gebe das Gericht dem Bundespräsidenten grünes Licht, führe das zur Unterzeichnung völkerrechtlicher Verträgen. Diese könnten nicht mehr aufgelöst werden, selbst wenn das Gericht in der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis komme, dass die Regelungen nicht mit der Verfassung im Einklang stehen.
Auf der anderen Seite müsse das Gericht aber auch den Spielraum der Abgeordneten berücksichtigen. "In der Politik erfordern ungewöhnliche Situationen und Krisen häufig ungewöhnliche Maßnahmen", sagte Voßkuhle. Die Gesetze seien immerhin mit zwei Dritteln der Stimmen des Bundestages und Bundesrates verabschiedet worden. Dennoch dürfe in solchen Krisenlagen die Verfassung nicht an den Rand gedrängt werden. "Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat ebenso wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert. Wer dieses Verhältnis zu einer Seite auflöst, verliert die andere!"