Euro-Krise: „Dann scheitert Europa“
Der Krisen-Tag von München bis Tokio: Der Kampf um den Euro einerseits und der Kampf gegen die Spekulanten andererseits hat am Mittwoch verschiedene Schauplätze beherrscht.
BERLINBundeskanzlerin Angela Merkel hätte die Messlatte kaum höher legen können: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. „Wir stehen vor der größten Bewährungsprobe seit Jahrzehnten. Es geht um nicht weniger als die Bewahrung der europäischen Idee.“ Sie warb nach ihrer Kehrtwende für eine Finanzmarktsteuer – wobei noch nicht alle Akteure völlig sicher in der Abgrenzung zwischen Finanztransaktionssteuer, Finanzaktivitätssteuer, Finanzmarktsteuer und dem von Merkel nun neu geprägten Begriff einer Finanzmarkttransaktionssteuer sind.
Auch für einen europäischen Alleingang ist Merkel nun offen. Vor allem aber wolle sie an den Kern des Problems: die Schuldenberge Europas. Sie nahm das eigene Land nicht aus: Auch Deutschland lebe seit Jahrzehnten auf Pump. Alle Länder müssten nun „schonungslos ihre Schwächen aufdecken“. Die Opposition überzeugte sie nicht völlig: SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nannte sie eine „Getriebene“.
BRÜSSEL In der EU herrscht Kopfschütteln über Deutschland – wegen des unabgestimmten Vorgehens, um 18 Uhr das ab 24 Uhr gültige Verbot von Leerverkäufen anzukündigen. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier: „Es ist effizienter, wenn wir gemeinsam handeln, statt Willkür und Aufsplitterung.“ Die EU-Kommission arbeite bereits an einem gemeinsamen Plan. Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde: „Deutschland hätte uns wenigstens fragen können.“ Im EU-Parlament wurde parteiübergreifend eine stärkere Lenkung der Wirtschaft in Europa gefordert.
NEW YORK/TOKIO Das abrupte deutsche Leerverkaufsverbot hat für Schockwellen an den internationalen Börsen gesorgt: Der japanische Nikkei stürzte auf ein Zehn-Wochen-Tief. Wall-Street-Analysten sprachen von „Wildwest-Methoden“ und „Verzweiflungstaten“. Der Euro rutschte auf ein neues Vier-Jahres-Tief auf zwischenzeitlich 1,22 Dollar. Börsianer treibt die Angst an, dass noch weitere Folterinstrumente ausgepackt werden.
MÜNCHEN Nicht nur in der großen, weiten Welt, sondern auch im bayerischen Landtag war der Euro gestern das große Thema: Vor dem Plenum schickte Horst Seehofer aufgebracht eine SMS nach der anderen nach Berlin und telefonierte mit seinem Statthalter Hans-Peter Friedrich wegen Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Das ist doch Wahnsinn“, schüttelte der Ministerpräsident fast verzweifelt den Kopf und meinte damit das Krisenmanagement der Kanzlerin. Drinnen, am Rednerpult, sagte Oppositionsführer Markus Rinderspacher (SPD): „Das Krisenmanagement wäre bei Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück besser aufgehoben gewesen.“ Aber die große Koalition gibt’s halt nicht mehr. Auch Bayern wollte gestern Macht demonstrieren mit einer eigenen Regierungserklärung zum Euro. Drinnen redet Finanzminister Fahrenschon, draußen telefoniert Horst Seehofer weiter. tan, bö