EU streitet über Waffen für Syrien
EU streitet über militärische Hilfe für die Aufständischen. Löst sich die Frage nicht, könnten die Sanktionen gegen das Assad-Regime wegfallen.
Brüssel - Eine heikle Frage spaltet die EU: Sollen Waffen an die Rebellen in Syrien geliefert werden? Das Problem: Die Debatte ist nicht rein theoretisch und kann auch nicht in Ruhe ausdiskutiert werden. Ist die Frage nicht bis Freitag Mitternacht entschieden, enden sämtliche Syrien-Sanktionen – und das hilft nur dem Regime von Baschir al-Assad. Die Außenminister der 27 Mitgliedsstaaten suchten bei ihrem Gipfeltreffen gestern nach einer Einigung.
Noch zeichnet sich aber keinerlei Lösung ab. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass das noch sehr schwierig wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es heute gar keine Lösung gibt“, sagte der deutsche Vertreter Guido Westerwelle. Der Hintergrund, warum das jetzt dringend entschieden werden muss: Die EU hatte im Mai 2011 einstimmig ein Paket von Sanktionen gegen Syrien verhängt – und zwar für genau zwei Jahre. Das Paket, das bisher ein Waffen-Verbot beinhaltet, kann nur einstimmig verlängert oder eben abgeändert werden. Und die Befürworter von Waffenlieferungen wollen einer reinen Verlängerung des Status quo nicht zustimmen.
Gibt es keine Einigung, fallen Freitagnacht alle Sanktionen: das Waffenverbot, das Einfrieren des Geldverkehrs, Einreiseverbote für Mitglieder des Regimes, das Einfuhrverbot für syrisches Öl. Unter den EU-Staaten gibt es in diesem Streit drei Fraktionen. Vor allem Großbritannien und Frankreich wollen die Waffenlieferungen an die Rebellen. Der britische Außenminister William Hague schloss auch einen Alleingang von London nicht aus: Hilfe für Syrien sei wichtiger als die Geschlossenheit der EU „in jedem Detail“. Die Waffen-Option schaffe auch den nötigen Druck auf das Assad-Regime, endlich zu verhandeln.
Die zweite Gruppe besteht aus den vehementen Gegnern von Waffenlieferungen, vor allem Österreich, Finnland und Schweden. Österreichs Außenminister Michael Spindelegger sagte, die EU sei eine Friedensunion. Österreich werde seine 380 Soldaten aus der Uno-Truppe auf den Golanhöhen abziehen, wenn die EU Waffenlieferungen nach Syrien erlaubt. Und das wäre wohl das Ende des Golan-Einsatzes, da Österreich dort die größten Truppen stellt.
Die dritte Gruppe, namentlich Deutschland, will einen Kompromiss. Sie ist zwar auch gegen Waffenlieferungen, findet aber den Preis zu hoch, dafür alle Syrien-Sanktionen aufs Spiel zu setzen. Jedes der drei Lager habe gute Argumente (siehe Kasten), „das macht die Entscheidung ja so schwierig“, heißt es im Umfeld der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.
Zumal man nicht weiß, welche Annahme zutrifft: Die Gegner sagen, dass Waffenlieferungen den Krieg verlängern würden (weil sich die Rebellen nach Assads Sturz länger gegenseitig bekriegen können). Die Befürworter sagen, dass gerade ein Ausbleiben von Waffenlieferungen den Krieg verlängern würde (weil Assads Regime nicht mehr siegen, aber gegen schwache Gegner noch länger wüten kann). Als kurzfristige Lösung kursiert, dass man die Sanktionen zunächst nur um vier Wochen verlängert – und den Streit auf Wiedervorlage legt.
Das sagen die Gegner, das sagen die Befürworter
Waffen für die Rebellen in Syrien? Die AZ dokumentiert die Argumente der beiden Seiten.
Regionale Dimension: Wenn das Assad-Regime stürzt, wird in Syrien womöglich jahrelang Chaos herrschen, weil sich verschiedene Rebellengruppen bekämpfen – das würde durch Waffenlieferungen vielleicht verlängert. Westliche Waffen könnten Islamisten in die Hände fallen.