Interview

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: "Wir müssen besser werden"

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen spricht über ihre Erwartungen an die am Sonntag beginnende Weltklimakonferenz.
Katrin Pribyl |
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. © Yves Herman/Pool Reuters/AP/dpa

Ursula von der Leyen im  AZ-Interview: Die 63-jährige CDU-Politikerin ist seit 2019 Kommissionspräsidentin der EU.

AZ: Bei der COP26 werden die Industrieländer erfahrungsgemäß große Ziele in Sachen Klimaschutz definieren. Oft bleiben es Lippenbekenntnisse, über konkrete Schritte wird in der Regel weniger gesprochen. Warum soll es dieses Mal anders laufen?
URSULA VON DER LEYEN: Ich erwarte drei Dinge: Dass die Länder ihre Ziele ehrgeiziger formulieren und plausibel darlegen, wie sie diese erreichen wollen. Wir sind noch nicht auf der Erfolgsspur und es ist höchste Zeit, dass wir deutlich mehr tun. Wir haben nur noch diese Dekade, um die Weichen richtig zu stellen und zu vermeiden, dass wir irreversible Kipppunkte erreichen. Zweitens, dass wir solidarisch sind mit den Entwicklungsländern. Wir haben als hochindustrialisierte Nationen versprochen, 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu finanzieren, damit Entwicklungsländer mit dem Klimawandel umgehen und sich darauf einstellen können. Dieses Ziel werden wir 2023 erreichen. Ich hoffe aber, dass wir es schon 2022 schaffen. Das dritte ist eine weltweite Übereinkunft über klare Regeln, wie Länder ihre nationalen Fortschritte beim Emissionsrückgang transparent und nachvollziehbar messen können.

"Wir sind im Vergleich mit anderen Regionen der Welt am erfolgreichsten"

Welche Rolle will die EU bei der Weltklimakonferenz einnehmen?
Die Europäische Union hat eine Vorreiterrolle. Mit dem Europäischen Green Deal sind wir diejenigen, die am besten aufgestellt sind, um zu zeigen, wie und in welchen Schritten wir konkret gegen den Klimawandel angehen und eine Kreislaufwirtschaft bauen können, die sauber und nachhaltig ist. Seit 1990 sind unsere Treibhausgasemissionen um 31 Prozent gesunken und parallel ist unsere Wirtschaft um mehr als 60 Prozent gewachsen. Das ist ein starkes Signal an die Welt, dass man das Klima und die Natur schützen kann, und gleichzeitig in der Lage ist, zu wachsen und zu prosperieren. Wir müssen nur deutlich schneller werden - in Europa und global.

Der Grüne Deal, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will, ist weit davon entfernt, in der jetzigen Form abgesegnet zu werden. Die Mitgliedstaaten etwa sind sich uneins über die Wege zum Ziel. Sie scheinen auch keine Eile zu verspüren, sich mit den Details genauer auseinanderzusetzen. Ist es dann nicht eine Verzerrung der Wirklichkeit, wenn sich die EU vor der Welt als strahlendes Vorbild in Sachen Klimaschutz darstellt?
Wir sind im Vergleich mit anderen Regionen der Welt am erfolgreichsten. Wir sind die Ersten, die als Region ein Klimagesetz haben, in dem die Ziele rechtsverbindlich festgeschrieben sind. Außerdem haben wir einen Fahrplan dargelegt - detailliert, Sektor für Sektor - , wie wir weiterkommen wollen. Auch diese Umsetzungsschritte müssen wir jetzt in ein Gesetz gießen. Für mich ist entscheidend, dass wir das über Innovation erreichen. Wir haben heute viele neue Technologien, die sauber sind und durch die wir den Fortschritt schaffen. Das ist auch für unsere Partner in der Welt entscheidend. Die Lage ist sehr ernst. Die Wissenschaft sagt uns heute, dass wir als Weltgemeinschaft nicht ehrgeizig genug sind.

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Umweltverbände kritisieren die Vorstöße der Industrieländer noch immer als unzureichend, auch den Grünen Deal. Fossile Brennstoffe werden von der EU beispielsweise mit Milliarden subventioniert. Werden weiterhin zu viele Kompromisse gemacht?
Wir müssen besser werden, gar keine Frage. Das Klima und die heftigen Reaktionen der Natur in diesem Jahr schreiben es uns ins Stammbuch. Wenn wir uns nicht mehr anstrengen, werden die Folgen dramatisch sein. Wir wissen, dass wir nur eine Chance haben. Deshalb ist es bei der COP26 so wichtig, dass die Verhandlungen erfolgreich verlaufen. Das gilt nicht nur für die Industrienationen. Es ist eben auch wichtig, dass wir die stark wachsenden Entwicklungsländer mitnehmen und sie unterstützen, direkt den Sprung in moderne, saubere Technologien mit einer Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Diesen Kampf gewinnt die Welt nur gemeinsam.

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22 Kommentare
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  • Himbeergselchts am 31.10.2021 01:18 Uhr / Bewertung:

    Bis „dass die Länder ihre Ziele ehrgeiziger formulieren….. „ hab ich gelesen. Dann wusste ich Bescheid. Formulieren, reden, sagen, beklagen, kritisieren, bedauern, empören……. nützt nix. Tun wäre das Zauberwort . Die Meere sind Kunststoff-Müllhalden, die Gletscher schmelzen, Luft, Wasser, Erde vergiftet und kaputt und Leyen will Ziele ehrgeiziger formulieren. So wird das nix. Könnte mir egal sein, wir haben keine Kinder und für uns reichts noch.
    Ist mir aber nicht egal. Wir ruinieren diesen herrlichen Planeten. Und unsere Nachkommen.

  • Bongo am 31.10.2021 11:27 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Himbeergselchts

    Aber Sie haben doch keine Nachkommen, wie Sie selber schreiben!

  • Lackl am 30.10.2021 21:17 Uhr / Bewertung:

    Was unternehmen eigentlich die anderen Länder, ausser die Industrieländer gegen den Klimawandel? Ich mein außer die Hand aufhalten und die moralische Keule zu schwingen. Einfach Dinge, welche vielleicht garnichts oder nur wenig Kosten. Wie: Nicht in Ufernähe bauen, selbst abgeholzte Wälder aufforsten. Dschungel und Urwälder mal nicht abholzen - oder was haben die und wie weit sind die um ihr Überbevölkerung einzudämmen. Man sieht - außer nehmen, können solche Länder auch was tun, ausser kassieren. Es scheint für jene ist der Klimawandel ein gut funktionierendes Startup

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