EU-Kommission berät über umstrittene Reformen in Polen
Polen kommt nicht aus der Kritik heraus: Am Mittwoch berät die EU-Kommission über die umstrittenen Reformen des Landes. Es könnte zum ersten Mal in der Geschichte zu einem Verfahren zum Schutz der Rechtstaatlichkeit eröffnet werden.
Brüssel - Die EU-Kommission berät heute über die umstrittenen Reformen der nationalkonservativen Regierung in Polen. Am Ende könnte die erste Phase eines Verfahrens zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet werden.
Kritiker sehen Teile neuer polnischer Gesetze als unvereinbar mit Kernprinzipien der EU an. Umstrittene Maßnahmen der neuen Regierung in Warschau sind vor allem eine Justizreform und ein neues Mediengesetz.
Gegner befürchten, dass die geänderten Regeln für das Verfassungsgericht die Gewaltenteilung im Land bedrohen, weil sie vorsehen, dass Entscheidungen künftig mit einer - womöglich selten zu erreichenden - Zwei-Drittel-Mehrheit getroffen werden müssen. Das neuen Mediengesetz erlaubt es der Regierung, über Führungsposten in den öffentlich-rechtlichen Medien zu entscheiden. Kritiker sehen dies als Gefahr für die Unabhängigkeit der Journalisten.
Wenn die EU-Kommission die erste Phase des Schutzverfahrens einleitet, würde in ihr zunächst genau analysiert werden, ob es eindeutige Anzeichen für eine "systembedingte Gefahr" für die Rechtsstaatlichkeit in Polen gibt. Nur wenn dies der Fall ist, könnte die Regierung in weiteren Schritten offiziell aufgefordert werden, Änderungen herbeizuführen.
Die nationalkonservative polnische Regierungschefin Beata Szydlo hat wenige Stunden vor den Beratungen ein Telefongespräch mit Kommissionschef Jean Claude Juncker geführt. Dabei habe Juncker versichert, es handele sich um eine "Routineprozedur" zur Orientierung über die Veränderungen in Polen, sagte Außenminister Witold Waszczykowski am Dienstagabend im Nachrichtensender TVN24. "Der Kommissionschef sagte, dass es keinerlei Krieg zwischen Polen und der EU gibt", sagte er.
"Putinisierung" der Politik
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, warnte vor einer Beschädigung des Verhältnisses zum EU-Partner Polen. "Die Devise muss heißen: Reden statt drohen", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Alles, was uns in Europa auseinander treibt und spaltet, muss in der gegenwärtig ohnehin schwierigen Lage in der EU vermieden werden."
Zugleich kritisierte der ehemalige Bundesumweltminister den Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), der von einer "Putinisierung" der Politik in Polen gesprochen hatte. Röttgen nannte dies "völlig maßlos und diffamierend". "Diese Äußerung belastet die Beziehungen zur EU, noch ehe der Dialog der Kommission überhaupt begonnen hat." Ähnlich kritisch äußerte sich dazu auch die Fraktionschefin der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms. "Polen hat mit Putins Russland gar nichts zu tun. Die Regierung ist in freien und fairen Wahlen gebildet worden", sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Ruprecht Polenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde lehnt Sanktionen der EU gegen Polen ab. Im Interview mit dem "Mannheimer Morgen" (Mittwoch) sagte er, die EU-Kommission müsse aber ein ernstes Wort mit der Regierung in Warschau sprechen. Der ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag warnte deutsche Politiker davor, durch "unbedachte Reaktionen" Öl ins Feuer zu gießen. Damit würden sie dem Vorsitzenden der rechtskonservativen PiS-Partei Jaroslaw Kaczynski in die Hände spielen.