EU beklagt "Blockade" bei Brexit-Verhandlungen

Beim Geld hört die Freundschaft auf, lautet eine alte Weisheit. Die Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien scheinen das zu belegen. Der Zeitplan gerät ins Trudeln.
von  dpa

Brüssel - Die Brexit-Verhandlungen haben ihr erstes Etappenziel klar verfehlt. Es gebe nicht genug Fortschritt, um die wichtige zweite Phase der Gespräche zu starten, stellte EU-Unterhändler Michel Barnier heute fest.

Im Streit über die Schlussrechnung beim EU-Austritt Großbritanniens gebe es sogar eine "Blockade". Brexit-Minister David Davis sprach hingegen von "erheblichen Fortschritten" und appellierte an die EU, die Verhandlungen jetzt auszuweiten.

Großbritannien will Ende März 2019 aus der Europäischen Union austreten. Ursprünglich wollten die Unterhändler wichtige Fragen der Trennung bis Mitte Oktober klären und danach über die künftigen Beziehungen sprechen. In nunmehr fünf Verhandlungsrunden gelang das aber nicht.

Finanzielle Forderungen sind ein Knackpunkt in den Vehandlungen

Barnier sagte, er hoffe auf entscheidende Fortschritte in den kommenden zwei Monaten, also bis Dezember. Gelingt dies nicht, würde ein umfassendes Austrittsabkommen immer unwahrscheinlicher - ein Szenario, das vor allem die Wirtschaft auf beiden Seiten fürchtet.

Knackpunkt sind finanzielle Forderungen der EU für gemeinsam eingegangene Verpflichtungen in der mehr als 40-jährigen Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs. Die britische Premierministerin Theresa May habe zwar versprochen, finanzielle Zusagen einzuhalten, sagte Barnier. In der fünften Verhandlungsrunde sei dies seit Montag aber nicht konkret unterfüttert worden. "In dieser Frage stecken wir in einer Blockade", kritisierte der EU-Vertreter. Das sei vor allem für die europäischen Steuerzahler tief verstörend.

Brexit-Minister Davis stellte klar, dass Großbritannien die finanziellen Zusagen erst im Zusammenhang mit den künftigen Beziehungen verhandeln wolle. In diesem Punkt sind sich beide Seiten also noch nicht einmal über die Abfolge einig.

Darüber hinaus ging es auch in dieser Runde um die künftigen Rechte der rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien und der 1,2 Millionen Briten in der übrigen EU. Hier stellten beide Seiten Fortschritte fest, aber auch noch viele Unstimmigkeiten. Das gleiche gilt nach Darstellung von Davis und Barnier bei der Frage, wie die künftige EU-Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland durchlässig gestaltet werden kann.

Verbleibende EU-Lander geben sich nach außen einig

Davis machte deutlich, dass er die von der EU gewünschte Aufteilung in zwei Phasen nicht mehr akzeptiert. Der EU-Gipfel solle nächste Woche beschließen, Barniers Verhandlungsmandat auszuweiten, sagte er. Dass dies geschieht, gilt als sehr unwahrscheinlich. Die 27 bleibenden EU-Länder geben sich bisher nach außen sehr einig. Sie sehen die Abfolge vor allem als Hebel, die Finanzforderungen durchzusetzen. Andernfalls würden sofort Milliardenlöcher im noch bis 2020 laufenden EU-Finanzrahmen klaffen.

Die zweite Phase der Verhandlungen dürfte dann aber noch komplizierter werden - deshalb will man sich dafür auch mehr Zeit nehmen. Dabei geht es um die von Großbritannien gewünschte "tiefe und besondere Partnerschaft" - also vor allem ein Handelsabkommen, aber auch die Zusammenarbeit in Sicherheits- und anderen Fragen. Darüber hinaus soll über eine Übergangszeit gesprochen werden, um den Bruch für die Wirtschaft, aber auch für Bürger und Behörden sanfter zu gestalten.

Bis Oktober 2018 soll eigentlich alles in einem umfassenden Austrittsabkommen geregelt sein, das rechtzeitig vor dem Brexit Ende März 2019 ratifiziert und in Kraft gesetzt werden soll. Gelingt der Übergang in Phase zwei nicht bald, wird dieser Zeitplan zunehmend unrealistisch. Die britische Premierministerin Theresa May vertritt öffentlich die Ansicht, kein Abkommen sei besser als ein schlechtes.

Die EU verweist hingegen auf mögliche chaotische Folgen - von langen Staus an den Grenzen bis zu hohen Einfuhrzöllen auf beiden Seiten. "Kein Deal wäre ein sehr schlechter Deal", sagte ihr Unterhändler Barnier.

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