Interview

Esken und Walter-Borjans: "Umweltschutz ist in der SPD historisch verankert"

Das sagen die beiden SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im AZ-Interview. Am Montag stellten sie ihr Wahlprogramm vor.
Bernhard Junginger |
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Die SPD-Bundesvorsitzenden Norbert Walter-Borjans (links) und Saskia Esken am Montag mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz.
Die SPD-Bundesvorsitzenden Norbert Walter-Borjans (links) und Saskia Esken am Montag mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz. © picture alliance/dpa

AZ-Interview mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans: Saskia Esken (59) gilt als versierte Digitalpolitikerin. Norbert Walter-Borjans (68) war 2010 bis 2017 Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen. Die beiden sind seit Ende 2019 Bundesvorsitzende der SPD.

Die SPD-Parteivorsitzenden im AZ-Interview

AZ: Frau Esken, Herr Walter-Borjans, Zukunft ist einer der Schlüsselbegriffe im neuen SPD-Wahlprogramm. Viele Menschen haben gerade in der Corona-Krise bange Fragen, wie es mit ihnen, ihren Familien und der Gesellschaft weitergeht. Wohin will die SPD mit diesem Programm steuern?
NORBERT WALTER-BORJANS: Es geht um die Zukunft jeder und jedes Einzelnen. Kern unseres Programms ist das Versprechen "Soziale Politik für Dich". Das gilt von Kindheit und Ausbildung über die Arbeit bis zur Rente. Unsere Zukunft hängt aber auch davon ab, ob wir den Klimawandel stoppen. Wir können in Deutschland viel dazu beitragen, dass das weltweit gelingt. Mit dem Wissen und dem Know-how der Industrie in Deutschland und gezielter Innovationsförderung durch den Staat schützen wir die Umwelt und stärken die Wirtschaftskraft. Das eröffnet Exportmärkte, sichert und schafft Arbeitsplätze im Land - etwa in der Wasserstofftechnologie, der Elektromobilität und der Digitalisierung. Dafür müssen wir in der Corona-Krise die Weichen stellen.

Corona zeigt klare Defizite im Gesundheitswesen auf

Aber die Pandemie wird die kommenden Jahre prägen. Wie soll die Bewältigung der Folgen gelingen?
SASKIA ESKEN: Gerade die grundsätzlichen Zukunftssorgen, die jetzt durch die Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung aufkommen, geben doch Anlass, wichtige Weichenstellungen vorzunehmen. Natürlich sorgen sich viele um den Arbeitsplatz - also fragen wir: Wie sichern wir Arbeitsplätze und helfen, dass neue entstehen, wenn Klimaschutz und Digitalisierung so viel verändern? Natürlich sorgen sich viele um die Bildung der Kinder und ihre Perspektiven - also fragen wir: Wie schaffen wir es, dass Schulen Kinder optimal unterstützen und eine zeitgemäße Bildung bieten? Gerade die Erfahrungen im Corona-Jahr haben ja auch grundsätzlichen Handlungsbedarf deutlich gemacht, zum Beispiel: wie weit wir in der Digitalisierung hinterherhinken, im Netzausbau, in der Verwaltung, in den Schulen. In der Bildung ist das mehr als zuvor ein Hindernis für die Chancengerechtigkeit. Und auch im Gesundheitswesen hat
Corona uns einige weitere Defizite schonungslos aufgezeigt.

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SPD-Chefs: "Kohle soll in naher Zukunft gar nicht mehr verfeuert werden"

Die SPD wurde bisher kaum als Umwelt- und Klimaschutzpartei wahrgenommen. Jetzt ist gleich das erste Ziel im Programm ein klimaneutrales Deutschland. Hat das mit den Grünen zu tun, die Ihnen den Rang als Nummer Zwei im Parteiengefüge abgelaufen haben?
ESKEN: Der Schutz von Umwelt, Natur und Klima ist in der SPD historisch verankert. In den 80er Jahren haben wir die Mahnungen des Club of Rome durchaus ernstgenommen, gerade auch in Bezug auf die sozialen Fragen und die Auswirkungen auf den globalen Süden. Denken Sie nur an Erhard Eppler oder Hermann Scheer.

. . . aber trotzdem profitieren hauptsächlich die Grünen vom gewachsenen Klimabewusstsein.
WALTER-BORJANS: Wenn man sich die aktuelle Entwicklung der Umfragen anschaut, ändert sich das Bild. Unsere Chancen, die führende Kraft in einer Regierung ohne die Konservativen zu werden, sind deutlich gestiegen. Dieses Ziel werden wir im September auch erreichen Die SPD hat das Thema Umwelt schon immer mit der Stabilität von Wirtschaft und Gesellschaft verknüpft. In meiner Heimat Nordrhein-Westfalen zeigt sich das. Da mussten wir immer darauf achten, das Notwendige machbar zu machen. Etwa als es um die Entschwefelung von Kohlekraftwerken ging. Diesen Weg ist die SPD gemeinsam mit der Industrie und den Beschäftigten gegangen. Heute sind wir weiter: Kohle soll in naher Zukunft gar nicht mehr verfeuert werden.

Auch im SPD-Parteiprogramm: Digitale Souveränität

Digitale Souveränität lautet ein weiteres großes Zukunftsziel. Was darf sich der Bürger darunter vorstellen?
ESKEN: Da geht es um die Selbstbestimmung der Bürger*innen und der Verbraucher*innen in der digitalen Welt. Ein Beispiel: So wie es in der Datenschutzgrundverordnung angelegt ist, ist letztlich das Einverständnis der Nutzer die Grundlage dafür, dass Dritte mit personenbezogenen Daten arbeiten können. Es muss uns aber auch an der Souveränität der Unternehmen und des Staates gelegen sein. Wenn unsere Unternehmen, wenn wir als Verwaltung oder in der Daseinsvorsorge uns abhängig machen von amerikanischen oder chinesischen Monopol-Unternehmen, beispielsweise in der Netz-Infrastruktur, dann berührt das unsere Souveränität.

Die SPD will laut Programm das modernste Mobilitätssystem Europas. Was muss im Bereich Verkehr passieren?
WALTER-BORJANS: Deutschland hat jetzt schon eines der dichtesten Schienennetze Europas, doch wir brauchen auch einen dichten Fahrplan, bezahlbare Tickets, anständige Züge und darin einen anständigen Internetanschluss. Wir müssen elektrifizieren, wo das noch nicht geschehen ist. Wo das nicht möglich ist, müssen Züge mit anderem CO2-freien Antrieb fahren. Die Verknüpfung mit bedarfsgerechtem Öffentlichen Nahverkehr muss stimmen, und wir brauchen ein besseres und sicheres Fahrradwegenetz. Da sind andere Staaten weiter. Und das macht nicht der Markt, da muss die Politik ordnungspolitische Rahmenbedingungen setzen und massiv investieren.

Esken: "Angebote des öffentlichen Nahverkehrs müssen besser vernetzt werden"

Welche Rolle spielt denn das Auto bei alledem? Wollen Sie den Individualverkehr weniger attraktiv machen, um mehr Bürger zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr zu bewegen?
ESKEN: Da gibt es sehr unterschiedliche Bedürfnisse, die wir mit unseren Konzepten berücksichtigen müssen. In meiner Heimat im Schwarzwald bin ich auf das Auto angewiesen, in Berlin brauche ich das nicht. Wo Autos gebraucht werden, sollen sie in naher Zukunft elektrisch angetrieben werden, um die Schadstoffe zu reduzieren. Die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs müssen besser vernetzt und aufeinander abgestimmt sein. Car-Sharing wird wichtiger, bald werden wir vielleicht nach Bedarf selbstfahrende Autos bestellen können. Für jüngere Menschen in Städten ist das eigene Auto nicht mehr so wichtig, wie es das für uns mal war.

Wie stark ist dieses Programm auf den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zugeschnitten, der nicht so weit links steht wie große Teile der Partei?
ESKEN: An der Parteispitze der SPD arbeiten wir Vorsitzende, unser Generalsekretär Lars Klingbeil, der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich und der Vizekanzler Olaf Scholz sehr eng und vertrauensvoll zusammen. Dieses Fünfer-Team hat die Entscheidung getroffen, dass Olaf Scholz unser Kanzlerkandidat sein soll. Und dieses Fünfer-Team hat jetzt ein Programm dafür erarbeitet, welche Politik wir in einer progressiven Regierung mit Olaf Scholz an der Spitze umsetzen wollen. Eine Politik, die unser Land voranbringt und die Gesellschaft zusammenhält.

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5 Kommentare
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  • Johann Bloch am 03.03.2021 20:21 Uhr / Bewertung:

    "Umweltschutz ist historisch verankert"....
    Das behauptet Herr Söder auch und umarmt medienwirksam die Bäume.

  • Heinrich H. am 02.03.2021 09:07 Uhr / Bewertung:

    .....was ist nur aus der Guten Alten SPD geworden..? Mit dieser Mannschaft schaffen wir gerade noch 15 - 18 %..........!

  • katzenfliege am 02.03.2021 08:51 Uhr / Bewertung:

    Ecken und Bormanns sind das Gegenteil einer erfolgreichen SPD.

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