Eskaliert der Konflikt zwischen Indien und Pakistan?
Die Anschläge von Bombay und die Folgen: Zwischen den beiden seit Jahren verfeindeten Atommächten bricht die Krise wieder aus
BOMBAY/ISLAMABAD In Bombay kehrt nach den Terroranschlägen langsam wieder Ruhe ein – aber dafür spitzt sich der Konflikt zwischen Indien und Pakistan immer mehr zu. Die beiden Atommächte sind seit langem verfeindet – jetzt droht der Konflikt erneut zu eskalieren.
Denn inzwischen gilt es aus indischer Sicht praktisch als erwiesen, dass die Terroristen aus Pakistan kamen und auch dort ausgebildet wurden – von der radikal-islamischen Lashkar-i-Toiba ("Armee der Reinen"). Die Lashkar-i-Toiba kämpft seit 1986 für die Unabhängigkeit der umkämpften Grenzregion Kaschmir, ihr werden enge Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst nachgesagt.
Das ist ein schwerer Dämpfer für den Friedensprozess zwischen den Bruderstaaten, denn Pakistan hatte Neu Delhi zugesagt, stärker gegen den islamistischen Terrorismus vorzugehen. Indiens Regierung drohte bereits an, die Gespräche mit Pakistan auf Eis zu legen. Außenminister Pranab Mukherjee hat Pakistan in einem Telefongespräch "ernste Konsequenzen" angedroht. Islamabad bereitet sich im Gegenzug darauf vor, Soldaten aus der afghanischen Grenzregion abzuziehen und an der Grenze zu Indien zu postieren.
Pakistanische Kreise wollen den Frieden verhindern
Dabei waren sich die Staaten gerade erst wieder näher gekommen. Die Wahl von Asif Ali Zardari (dem Ehemann der getöteten Politikerin Benazir Bhutto) zu Pakistans neuem Premier war von vielen Beobachtern als gutes Zeichen für den Frieden gewertet worden. Zwar ist Zardari wegen früherer Korruptionsaffären nicht unumstritten, aber er ist, anders als sein Vorgänger Pervez Musharraf, kein Militärangehöriger.
Doch genau das entpuppt sich jetzt als sein Problem, sagt Pakistan-Experte Christian Wagner von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "Diese Anschläge zeigen, dass es offensichtlich Elemente im pakistanischen Geheimdienst und den Streitkräften gibt, die den Friedensprozess verhindern wollen. Zardari fehlt es als Zivilperson an Rückhalt in großen Teilen des Militärs."
Und auch jetzt, bei den offiziellen Deeskalationsversuchen, wird Zardari offenbar torpediert. Er sicherte Indiens Premier Manmohan Singh zu, zur Aufklärung der Anschläge den obersten Geheimdienstbeamten zu schicken. Dann passierte erstmal lange nichts, und schließlich fuhr ein weniger prominenter Geheimdienstler nach Bombay. Für Wagner ein Zeichen des innerpakistanischen Machtkampfs: "Der Geheimdienst will sich bislang nichts von einem zivil gewählten Präsidenten sagen lassen. Hier muss sich zeigen, wie er sich weiter durchsetzen kann."
Offiziell ist Pakistan ein Verbündeter der USA
Zardari steckt in der Klemme: Denn macht Pakistan seine Drohung wahr und zieht Soldaten aus Afghanistan ab, wäre genau das erreicht, was die Terroristen wollen: die Schwächung des Anti-Terrorkampfes. Offiziell ist Pakistan ein Verbündeter der USA, seit dem 11. September 2001 pumpten die Amerikaner 7,6 Milliarden Euro an Hilfszahlungen ins Land.
Fraglich ist aber, wie ernst es Pakistan mit dem Anti-Terrorkampf wirklich ist. Zwar sei der politische Wille vorhanden, sagt Wagner. Ausbildung und Ausrüstung seien aber oft so ungenügend, dass eroberte Gebiete nicht gehalten werden können.
Der scheidende US-Präsident George W. Bush hat jetzt Außenministerin Condoleezza Rice zu Gesprächen in die Region geschickt. Sie sagte, sie erwarte die "uneingeschränkte Kooperation" Islamabads. Klar ist: Zentralasien bleibt eine riesige Baustelle. Und eine weitere Mammutaufgabe für Barack Obama.
Annette Zoch
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