Eskalation: Nordkorea feuert Granaten auf Südkorea
SEOUL - Nordkorea greift südkoreanische Insel mit Artilleriebeschuss an: zwei Tote und 18 Verletzte, darunter auch Zivilisten. Beide Seiten geben sich die Schuld – und wollen weitermachen.
Es herrscht der höchste Alarmzustand zwischen den beiden Koreas seit dem Waffenstillstand von 1953: Die seit Monaten schwelenden Konflikte sind am Dienstag gewaltsam eskaliert. Bei nordkoreanischem Artilleriebeschuss gab es mindestens zwei Tote und 18 Verletzte. Die Welt ist besorgt.
Hinterher gaben sich beide gegenseitig die Schuld, angefangen zu haben – und zeigten sich zu weiteren Schlägen entschlossen. Die Eskalation passierte gestern früh (unserer Zeit): Das nordkoreanische Militär feuerte Dutzende Granaten auf die südkoreanische Insel Yeonpyoeng. Nach einem Bericht des Fernsehsender YTN sind 60 bis 70 Häuser in Brand geraten. Einige der 1200 Insel-Bewohner flüchteten sich in Bunker, andere in Fischerbooten aufs offene Meer. Nach südkoreanischen Angaben starben zwei Soldaten, 15 weitere wurden verletzt – ebenso wie drei Zivilisten. Die Rauchsäule über der Insel war noch auf Satellitenbildern zu erkennen.
In Südkorea wurde die höchste Alarmbereitschaft seit 1953 ausgerufen. Präsident Lee Myung Bak hielt eine Dringlichkeitssitzung in einem Bunker ab, um über die weiteren Schritte zu beraten. Er kündigte eine „ernste Antwort“ an. „Der rücksichtslose Beschuss von Zivilisten kann niemals toleriert werden“, sagte sein Sprecher. „Dieser unmenschliche Angriff verletzt den Waffenstillstand.“
Derzeit läuft nahe der Insel ein südkoreanisches Militärmanöver, von dem sich Nordkorea massiv gestört fühlt und dessen Ende es mehrmals verlangt hatte. „Trotz unserer Warnungen hat Südkorea Dutzende Geschosse abgefeuert. Wir haben sofort militärisch darauf reagiert“, hieß es in der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur. Seoul dagegen erklärt, das seien Testgeschosse gewesen. Die oberste Militärführung in Pjöngjang erklärte dagegen: „Sollte die südkoreanische Marionettengruppe es wagen, auch nur 0,0001 Millimeter in Nordkoreas Hoheitsgewässer vorzudringen, wird die revolutionäre Streitmacht nicht zögern, gnadenlose Gegenmaßnahmen zu ergreifen.“ Nordkorea erkennt die Seegrenze nicht an.
Weltweit gab es zahlreiche Bekundungen von Besorgnis: Seit Monaten spitzt sich die Lage zwischen Nord- und Südkorea zu. Im März war ein südkoreanisches Kriegsschiff versenkt worden. Anders als sonst stellte sich gestern aber China nicht auf Nordkoreas Seite: Die Umstände müssten geklärt werden, so das Außenministerium in Peking. Es forderte beide Seiten zur Zurückhaltung auf.
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