Es wird eng für Rösler
BERLIN Zum Endspurt fuhr Philipp Rösler noch das schwerste Geschütz auf, das ein FDP-Wahlkämpfer bieten kann: ein gemeinsamer Auftritt mit Altmeister Hans-Dietrich Genscher. Auch das wird ihm wohl nichts mehr helfen: Die Luft wird immer dünner für ihn. Die Debatte um eine vorzeitige Ablösung gewann am Freitag massiv an Fahrt – ausgelöst ausgerechnet durch Fraktionschef Rainer Brüderle.
Brüderle gilt schon lange als aussichtsreichster Nachfolger, jedenfalls für eine Übergangszeit. Und nun war er es, der 48 Stunden vor Öffnung der Wahllokale in Niedersachsen im ARD-Morgenmagazin unerwartet in die Offensive ging. Man solle doch den – eigentlich für Mai geplanten – Parteitag zur Neuwahl des Vorsitzenden vorziehen. „Es macht keinen Sinn, wenn man das zu lange rausschiebt.“ Und, insistierte er, damit man das Signal ja nicht für einen zufälligen Halbsatz hält: „Es spricht einiges dafür, das vorzuziehen.“ Und weiter: „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass das am Montag in den Führungsgremien diskutiert wird.“
Formell stellte er sich zwar hinter Rösler. Aber leicht maliziös fügte er hinzu: „Das Schicksal der Partei liegt ihm am Herzen. Er wird sehr verantwortungsvoll damit umgehen.“ Auf die Frage, ob er als Nachfolger für Rösler zur Verfügung stehe, erklärte Brüderle: „Über ungelegte Eier diskutiere ich nicht.“ Ein Dementi sieht anders aus.
Wenig später schloss sich auch Christian Lindner, Chef der NRW-FDP und erklärte Nachwuchshoffnung für eine Zeit nach Brüderle, an: „Brüderle hat sehr bedenkenswerte Argumente geliefert. Wir werden seiner Empfehlung folgen.“ Im Gespräch ist nun ein Parteitag Ende Februar oder Anfang März.
Die Parteizentrale erklärte dazu, offiziell habe niemand einen Antrag auf Vorziehen gestellt. Insofern sei das kein Thema. Rösler selbst sagte nur generell zu der Kritik an seiner Person: „Ich bin für meine Gelassenheit bekannt.“ Und, um „ausnahmsweise Joschka Fischer zu zitieren: Wer nie am Abgrund stand, kann kein Großer werden“. Hans-Dietrich Genscher sagte beim Auftritt mit Rösler: „Ein Erfolg in Niedersachsen ist auch sein Erfolg.“ Ähnlich ging Röslers Lager mit Brüderles Vorstoß um: Ein gutes Abschneiden in seiner Heimat wäre ein persönlicher Erfolg für ihn. Ob er ihn dazu nutzen würde, auf dem Parteitag – wann auch immer – erneut zu kandieren, ließ das Umfeld offen.
Andere in der FDP reagierten dagegen wütend auf Brüderle. „Das war nicht hilfreich in der heißen Phase“, so Stephan Birkner, Spitzenkandidat in Niedersachsen. Thomas Hacker, FDP-Fraktionschef im bayerischen Landtag: "Bis Sonntag sollte sich jeder um den Erfolg in Niedersachsen kümmern." Notwendige Entscheidungen würden am Montag gefällt. "Die drei Tage kann man die Diskussion auch noch aushalten." Birgit Homburger, baden-württembergische Landeschefin: "Jetzt gilt: Volle Konzentration auf Niedersachsen. Partei-Interna sollten wir am Montag im Vorstand klären."
Spannend wird nun, was am Sonntag nach Schließung der Wahllokale passiert – es hängt zentral vom Ergebnis ab. Alles unter fünf Prozent bedeutet das Aus für Philipp Rösler. Alles über acht Prozent (das Ergebnis der letzten Wahl) würde ihm das Amt sichern. Allerdings fordern 42 Prozent der Bürger nach einer neuen Umfrage, dass Rösler in jedem Fall abtritt.