Erdogans Provokationen: Wo bleibt Merkel?

 AZ-Redakteur Tobias Wolf schreibt über den Streit zwischen Berlin und Ankara
von  Tobias Wolf
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Klar in der Sache, unmissverständlich im Ton und konsequent in der Aussage: So stellen sich Bundestagspräsident Norbert Lammert und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz  hinter die elf türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten und damit gegen die abstrusen Drohungen, Provokationen und Vorwürfe des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Worte, die man eigentlich von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet hätte.

Die CDU-Chefin hat jedoch am Dienstag lediglich ihren Regierungssprecher Steffen Seibert vorgeschickt. „Die Vorwürfe und die Aussagen, die da jetzt gemacht werden von der türkischen Seite, halte ich für nicht nachvollziehbar“, erklärte er nüchtern. Ein etwas dürftiges Statement. Bei der Armenien-Resolution war Merkel ebenso wenig anwesend wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sowie Vizekanzler  Sigmar Gabriel. „Wichtige Termine“, lautete die Begründung. Den Vorwurf, sie hätten sich gedrückt, müssen sich die drei Regierungsmitglieder zumindest gefallen lassen.

Das Fass ist übergelaufen

Ist es die Angst vor einem Scheitern des ohnehin wackeligen EU-Türkei-Deals, die Merkel verstummen lässt? Ein Misserfolg wäre nicht nur eine Niederlage für ihre Flüchtlingspolitik, es wäre auch eine persönliche. Zwar muss eine Kanzlerin auch mit schwierigen Gesprächspartner wie Erdogan oder Kremlchef Wladimir Putin den Dialog suchen. Sie muss taktieren, diplomatisches Geschick zeigen.

Doch irgendwann läuft das Fass über – so wie jetzt. Wenn ein ausländisches Staatsoberhaupt zu einem Bluttest deutscher Abgeordneter aufruft und Abgeordnete wie Cem Özdemir persönlich angegriffen werden, ist die Schwelle des guten Geschmacks weit überschritten – und ein deutliches Statement der Kanzlerin wäre mehr als angebracht. Dass Merkel nach Lammerts Rede vor dem Bundestag von der Regierungsbank aus demonstrativ applaudiert, genügt nicht.

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