Entführung kam mit Vorwarnung

Die Länder-Innenministerien sollen schon vor zehn Tagen von möglichen Anschlägen und Entführungen in der Türkei gewusst haben. Im aktuellen Entführungsfall hat Bundeskanzlerin Angela Merkel sich persönlich an die Entführer gewandt.
Das Schicksal der insgesamt fünf in der Türkei und Nigeria entführten Deutschen ist weiter ungewiss. Der Krisenstab des Auswärtigen Amts in Berlin bemüht sich nach Angaben von Bundesaußenminister Walter Steinmeier intensiv um eine baldige und bedingungslose Freilassung. Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte eindringlich an die Entführer der drei Bergsteiger in der Türkei, ihre Geiseln freizulassen. «Ich rufe die Entführer auf, die drei Deutschen umgehend und unversehrt freizulassen», sagte die CDU-Vorsitzende der «Bild am Sonntag».
Die Bundesregierung werde alles tun, um ihre Freilassung zu erreichen und arbeite dabei engstens mit den türkischen Stellen zusammen. Merkel machte zugleich deutlich, «dass die Bundesregierung sich von den Entführern nicht erpressen lässt». Am Sonntag will die Bundeskanzlerin am Rande des Mittemeer-Gipfels in Paris mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan das weitere Vorgehen beraten. Steinmeier will sich dort erneut mit seinem türkischen Amtskollegen Ali Babacan besprechen, wie der Außenminister ankündigte. Zum Stand der Entführung gebe es «leider nichts Neues». Unterdessen berichtete der «Spiegel», Führungskader der Kurdischen Arbeiterpartei PKK die Bundesregierung hätten bereits gut eine Woche vor der Entführung der Bergsteiger am Dienstagabend vor «negativen Konsequenzen» ihrer Kurdenpolitik gewarnt.
Der Exekutivrat der «Vereinigten Gemeinschaften Kurdistans» habe Ende Juni in einer Botschaft gefordert, die «feindliche Politik gegen das Kurdische Volk und seine Befreiungsbewegung» aufzugeben. Die deutsche Regierung trage sonst «alle entstehenden negativen Konsequenzen», heißt es in einem Bericht. Kurz darauf habe zudem die türkische Polizei an das Bundeskriminalamt (BKA) gemeldet, in kurdischen Kreisen innerhalb der Türkei herrsche Unruhe.
Möglicherweise könne es zu Anschlägen und Entführungen kommen. Das BKA habe die Länder-Innenministerien daraufhin am 2. Juli gewarnt, dass es Informationen gebe, nach denen Anschläge und Entführungen in der Türkei künftig nicht ausgeschlossen werden könnten. Auch Innenstaatssekretär August Hanning sagte dem Magazin, es habe schon vorher Hinweise aus der Türkei gegeben. Nun müsse man sich möglicherweise auch im Inland auf eine neue Gefahrenlage einstellen, wird der Staatssekretär im Bundesinnenministerium zitiert. Das Auswärtige Amt wollte den Bericht nicht kommentieren. Auch zu einem Bericht der «Bild»-Zeitung, wonach sich inzwischen vier BKA-Beamte im Entführungsgebiet am Berg Ararat aufhalten, äußerte sich das Auswärtige Amt nicht. Die übrigen zehn Mitglieder der Reisegruppe waren am Freitagabend wohlbehalten nach München zurückgekehrt. PKK-Rebellen hatten die drei Männer aus Bayern im Alter von 33, 47 und 65 Jahren am Dienstagabend während der Besteigung des höchsten Bergs der Türkei, des 5.137 Meter hohen Ararats, entführt. Bislang gibt es von ihnen kein Lebenszeichen. Den Entführungsfall zweier in Nigeria vermisster Deutscher bestätigte Steinmeier am Samstag offiziell und sagte, der Krisenstab bemühe sich um Aufklärung der Hintergründe. Man sei bemüht, die Deutschen baldmöglichst und unversehrt wieder nach Hause zu bringen. Die zwei Mitarbeiter des Baukonzerns Bilfinger Berger waren am Freitagmorgen bei einem Sturm auf das Firmengelände in Rumuji im Süden des Landes verschleppt worden. Ein Soldat soll bei dem Überfall getötet und zwei weitere verletzt worden sein. (AP)