Endzeit einer Zwangs-Ehe?

Die zerrüttete Koalition: Man bleibt halt zusammen, weil’s nicht anders geht - quasi wegen der Kinder und weil es an verfügbaren neuen Partnern mangelt. Die AZ hat Eheberater gefragt, welche Chancen sie für die Polit-Ehe noch sehen.
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Steinmeier und Merkel: Die große Koalition wirkt wie ein zerrüttetes Ehepaar.
AP Steinmeier und Merkel: Die große Koalition wirkt wie ein zerrüttetes Ehepaar.

Die zerrüttete Koalition: Man bleibt halt zusammen, weil’s nicht anders geht - quasi wegen der Kinder und weil es an verfügbaren neuen Partnern mangelt. Die AZ hat Eheberater gefragt, welche Chancen sie für die Polit-Ehe noch sehen.

BERLIN Wie lange noch? Die Endzeitstimmung in der großen Koalition ist unübersehbar. Man bleibt halt zusammen, weil’s nicht anders geht, quasi wegen der Kinder – und weil’s an verfügbaren neuen Partnern mangelt. Wie ein zerrüttetes Ehepaar. Das Neueste: Bei der SPD fordern Ex-Vizekanzler Müntefering und die Parteirechte von Kurt Beck einen förmlichen Beschluss, dass man wirklich nicht mit der Linken anbandelt – das lehnt er ab: Das habe er oft genug gesagt. Die AZ hat sich umgehört, was Experten zu der Endzeit einer Polit-Ehe sagen.

Das sagen Eheberater:

Für die Münchner Paarberaterin Gabriele Leipold ist entscheidend, dass es von vornherein keine Liebe war. „Eine Ehe ist wie ein Haus, und die Phase der Verliebtheit ist das Fundament.“ Wenn diese schöne Erinnerung als Basis fehlt, könne es nur immer schlechter werden. „Ich berate einige Paare, die zusammengeführt worden sind.“ Glücklich ist keins davon, im günstigsten Fall mag man sich, „aber meist herrscht Krieg“. Klassisches Merkmal einer zerrütteten Ehe ist die gestörte Kommunikation, so Leipold: „Absprachen finden nicht mehr statt. Entweder es herrscht Schweigen oder es werden zermürbende Streits geführt.“ Was kann man so einem Paar raten? „Gespräche führen“, sagt Leipold. „Am besten zeitlich begrenzen und abbrechen, wenn es eskaliert, um sich nicht zu verbeißen.“

Viele Beobachter fühlten sich in den letzten Tagen an ein altes Paar erinnert, das nur noch wegen der äußeren Zwänge zusammenbleibt. Leipold: „Dabei sind es oft nicht mal nur äußere Zwänge. Häufig sind Partner, die nur noch streiten, total desorientiert, wenn sie getrennt werden – weil sie sich gegenseitig stabiliert haben.“ Dass sich beide Seiten so offensiv mit anderen Partnern umgehen, ist für Leipold vor allem „ein Wachrütteln-Wollen. Wenn man es ernst meint, macht man es eben nicht so öffentlich.“

Der Paarberater Stefan Woinoff glaubt, dass es hält – eben weil es keine Liebes-, sondern eine Zweck-Ehe ist. „Man ist nicht vom anderen enttäuscht, weil man von ihm nichts erwartet hat“, sagt er. Anders wäre es zwischen Schwarz-Gelb oder Rot-Grün. „Aber hier hat Wertschätzung ohnehin keine Rolle gespielt, bis auf die kleine Romanze zwischen Merkel und Müntefering. Da kann auch nicht viel kaputtgehen.“

Das sagt der Polit-Experte:

„Das Misstrauen ist auf jeden Fall gewachsen“, sagt der Mainzer Politikprofessor Jürgen Falter. „Ursprünglich war die Stimmung gut, weil beide Seiten überrascht waren, dass man doch miteinander kann.“ Das hat sich geändert – doch an einen vorzeitigen Bruch glaubt Falter nicht. „Es gibt ja keine Alternative.“ Ein wesentlicher Unterschied zu 1982, als das sozialliberale Bündnis zerbrach. „Damals hat sich die SPD immer mehr von Helmut Schmidt abgesetzt, und die FDP hat das sinkende Boot verlassen.“ Aber zu wem sollten die unwilligen Partner heute fliehen? Für Schwarz-Gelb reicht es nicht, und Beck wird sich jetzt nicht von der Linken wählen lassen, davon ist der Politikprofessor überzeugt. Ruhe wird aber wohl nicht mehr einkehren, dazu ist bis zur Wahl zu viel los (etwa die Bayern- und die Bundespräsidentenwahl), und dazu sind die Gräben zu tief. „Sie werden entdecken, dass man keinen Dauerkonflikt aufführen kann. Aber er wird immer wieder aufflammen.“

Das sagt das Volk:

35 Prozent der Deutschen sehen das Bündnis akut gefährdet, so eine ARD-Umfrage. 52 Prozent glauben, dass es weiter hält. 46 Prozent würden einen Bruch bedauern – 38 Prozent fänden ihn gut. Dass die SPD mit Gesine Schwan eigene Weg geht, findet eine Mehrheit gut – noch viel besser aber finden sie Horst Köhler: Er erreicht mit 85 Prozent einen neuen Spitzenwert – den höchsten jemals im ARD-Deutschlandtrend für einen deutschen Politiker gemessenen. Und die Beliebtheit von SPD-Chef Beck schafft mit 20 Prozent einen neuen Negativrekord.

Anja Timmermann

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