Eklat im Bayerischen Landtag: Schulze schimpft Hubert Aiwanger "geistigen Brandstifter"

München - Es hätte so schön sein können. Hubert Aiwanger (FW) spricht gerne über Wasserstoff. Dabei strahlen seine Augen. Doch nicht so am Mittwoch im Landtag. Vier Monate vor der Landtagswahl geht es im Plenum noch mal richtig zur Sache, als der Wirtschaftsminister eine Regierungserklärung abgibt.
Doch in Aiwangers Rede und in der anschließenden Debatte geht es nicht etwa um seine Leistungen oder Defizite im Ressort. Sein Auftritt bei der von Kabarettistin Monika Gruber mitorganisierten Demo in Erding am vergangenen Samstag spielt auch im Maximilianeum die größere Rolle. Dort hatte Aiwanger mit seinen Äußerungen, "die schweigende große Mehrheit dieses Landes" müsse sich die Demokratie wieder zurückholen, verstört. An der Demo hatten auch viele aus dem Lager der Querdenker und der AfD teilgenommen.
Freie Wähler unzufrieden mit den Äußerungen von Hubert Aiwanger, Grüne fordern Amtsenthebung
Die Grünen haben sogar einen Dringlichkeitsantrag zu Erding gestellt und forderten eine Amtsenthebung von Hubert Aiwanger. Er habe nicht zum ersten Mal rote Linien überschritten, sagte Thomas Gehring (Grüne). Auch habe sich der Wirtschaftsminister bisher nicht für seine Wortwahl auf der Demo entschuldigt. Die Regierungsparteien CSU und Freie Wähler lehnten eine Entlassung Aiwangers anschließend aber entschieden ab.
Doch auch im Kabinett muss es am Dienstag ziemlich gerauscht haben, zudem sind viele Freie Wähler an der Parteibasis nicht zufrieden mit den populistischen Äußerungen ihres Parteivorsitzenden. Sichtlich angespannt und mit rotem Kopf spricht Aiwanger im Plenum. Obwohl er sonst tadellos frei spricht – eine Eigenschaft, für die ihn jüngst sogar Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze lobte.
Debatte im Bayerischen Landtag: Hubert Aiwanger schimpft auf die Ampel
Aiwanger hält sich nicht lange mit Bayern auf, sondern schimpft über das Berliner Energieeffizienzgesetz. "Ideologisch gedeckelt sagt die Ampel, die deutsche Wirtschaft darf in sechs Jahren ein Fünftel weniger Energie nur noch benötigen, und zwar egal, ob es fossil oder erneuerbar ist", sagt Aiwanger.
Ein bisschen Wasserstoff darf es dann aber auch sein: "Ich habe auch vor Monaten schon das Wasserstofflied gepredigt und sie haben mich hier verhöhnt, als ich sagte, dass wir auch im Heizungsbereich darüber nachdenken sollten", sagt Aiwanger. Zu Erding aber kein Wort – warum auch.
Oppositionsführerin Katharina Schulze (Grüne): "Das ist Rechtspopulismus"
Dafür sorgt sogleich Schulze und nimmt sich Aiwanger zur Brust. Auf Erding kommt sie gleich im vierten Satz: "Die wirtschaftliche Stärke Bayerns basiert also auf tüchtigen Menschen, innovativen Unternehmerinnen und Unternehmern und auf den Grundwerten unserer Gesellschaft: Anstand, Respekt und Demokratie."
Schulze holt weiter aus: "Die Demokratie zurückholen. Sind solche Aussagen eines stellvertretenden Ministerpräsidenten würdig und angemessen?" Für Schulze wiegelt Aiwanger "draußen Menschen gegen die parlamentarische Demokratie auf", obwohl er doch Teil genau jener sei. "Diese Aussagen erinnern an Gauland, erinnern an Trump und sind eine Lehrbuchbeschreibung eines astreinen Rechtspopulisten und geistigen Brandstifters."
Eklat im Landtag: Präsidentin Ilse Aigner muss Parteien zur Ordnung rufen
Schulzes Vorwürfe bleiben nicht ohne Widerhall seitens der Opposition. Mehrfach muss Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) das Plenum zur Ordnung aufrufen. Die "geistige Brandstiftung", die Schulze Aiwanger vorwirft, werde sie im Landtagspräsidium prüfen und bittet um Mäßigung bei der Wortwahl.
Schulze wirft Aiwanger weiter vor, die Gesellschaft spalten zu wollen. "Deswegen fordere ich den Ministerpräsidenten auf, Hubert Aiwanger mit Zustimmung des Landtags aus seinem Amt zu entlassen." Denn die Demokratie müsse geschützt werden. Dass laut den Grünen in Bayern bei der Wirtschaftspolitik viel auf der Straße liege, ist da nur noch ein Nebenaspekt.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist abwesend
Florian von Brunn, Fraktionsvorsitzender der SPD, warf Aiwanger vor, dass "Schimpfen und Pöbeln gegen die Ampel" keine konstruktive Politik ersetze. Auch er forderte Aiwangers Rücktritt. Und hat glatt so etwas wie Lob übrig für den Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Der habe sich wenigstens von dem problematischen Publikum distanziert.
FDP-Chef Martin Hagen, der auch in Erding gesprochen hatte, beschwert sich erst einmal über Söder. Der glänze, wie so oft, mit Abwesenheit im Landtag. Dass er ausgerechnet bei Aiwangers Regierungserklärung fehle, dürfe man "als Signal" deuten. Hagen kehrt auf die Ebene der Sachlichkeit zurück und kritisiert Aiwanger, sich nicht um die echten Probleme von Bayerns Wirtschaft zu kümmern, sondern Kulturkämpfe über Nebensächlichkeiten zu führen: "Das größte Konjunkturrisiko ist nicht gendern, sondern der Arbeitskräftemangel!"