Eitler Egomane gegen einfältigen Provinzler
KIEL - Die Regierung in Schleswig-Holstein ist vor allem an der Verachtung der Spitzenleute füreinander zerbrochen. Jetzt wird um Neuwahlen gekämpft
Showdown in Schleswig-Holstein: Die große Koalition ist spektakulär geplatzt – weil sich die handelnden Figuren zutiefst zuwider waren. Wie es weitergeht, ist noch unklar: Beide Seiten versuchen, mit Blick auf die eigenen Umfragewerte für sich das Beste herauszuschlagen.
Wie kam es zu dem Bruch?
Der Anlass war relativ gering: ein Streit, wer was von einer umstrittenen Bonus-Zahlung an einen Landesbanker wusste. Interessant ist der Zeitpunkt: Es war der allerletzte verfassungsgemäß mögliche Termin, um die Neuwahlen parallel zur Bundestagswahl abhalten zu können. Das Verhältnis zwischen den Koalitionären ist allerdings derart katastrophal, dass das Bündnis schon oft vor dem Bruch stand. „Da ist nichts mehr zu kitten“, sagt die Nord-CDU nun.
Welche Rolle spielen persönliche Animositäten?
Die entscheidende. Das Verhältnis zwischen Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und SPD-Vormann Ralf Stegner ist so zerrüttet, dass sich die beiden schon seit Wochen nicht mal mehr grüßen. Carstensen hält Stegner für einen eitlen, rücksichtslosen und egomanischen Ehrgeizling, der über Leichen geht. Stegner hält Carstensen für einen einfältigen und unbeholfenen Dorfpolitiker, der mit der Führung eines Bundeslandes – erst recht in Krisen- und Schuldenzeiten – völlig überfordert ist. Laut Beobachtern ist an beiden Einschätzungen durchaus etwas dran, was die Sache aber nicht leichter macht.
Wie ticken die beiden?
Carstensen ist Bauer mit Leib und Seele, mag Volksfeste, erzählt gerne Zoten und lässt sich schon mal von „Bild“ eine Frau suchen. Stegner ist Absolvent der Elite-Uni Harvard, dezidiert links und gilt als hochintelligent (was ihm sehr bewusst ist). In Berlin heißt es, man wundere sich ohnehin, dass die beiden es solange miteinander ausgehalten haben. Sie haben überhaupt nur miteinander regiert, weil nach dem Wahl-Gau um Heide Simonis nichts anderes ging.
Gibt es jetzt Neuwahlen?
Die CDU will sie, Stegner sperrt sich noch: Er wirft der CDU vor, sie lüge und wolle nur „einen günstigen Wahltermin“ rausholen – weil die Umfragen gerade gut für sie sind. Carstensen könne ja zurücktreten, „wenn er nicht mehr kann oder will“, schlug Stegner süffisant vor. Die CDU wiederum hält der SPD vor, sie verweigere sich Neuwahlen, weil ihre Umfragen eben nicht so gut seien. Die Abstimmung soll am Montag stattfinden. Der Haken: Ohne die SPD kommt die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zusammen. Die CDU hofft nun auf ein paar Anti-Stegner-Abweichler in der SPD. Klappt das nicht, könnte Carstensen alle SPD-Minister entlassen und mit einer Minderheitsregierung weitermachen. Oder aber er stellt – wie Kanzler Schröder 2005 in Berlin – die Vertrauensfrage mit der Absicht, sie zu verlieren.
Was heißt das für Berlin?
Für die SPD wären Neuwahlen im Norden verheerend: ein weiterer Wahlkampf mit dem Rücken zur Wand, der drohende Verlust einer weiteren Regierungsbeteiligung. Andererseits wäre eine Verweigerungshaltung auf Dauer unpopulär – auch die Grünen werben für Neuwahlen und „ein Ende des Affentheaters“. Die CDU dagegen erhofft sich ein Signal für Schwarz-Gelb und gegen große Koalitionen. tan