Einschätzung des Verfassungsschutzes: So sicher ist das EM-Jahr

München – Gesellschaftliche Konflikte um Kriege, Klima und Agrarpolitik nutzen nach den Beobachtungen des bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Extremisten aller Szenen, um gesellschaftliche Spaltungen voranzutreiben und die Diskurse mit ihren extremistischen Positionen zu infiltrieren.
Besonders besorgt äußerte sich Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts 2023 am Montag über "antisemitische Hetze und Übergriffe", die in nahezu allen extremistischen Szenen "in dramatischem Umfang" zunähmen. "Das ist gerade angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands unerträglich", so der CSU-Politiker.
Ein Uni-"Komitee" verharmlost und leugnet das Hamas-Massaker
Sehr beschäftigt sind die bayerischen Verfassungsschützer derzeit mit dem "auslandsbezogenen Extremismus". Der brutale Überfall der Hamas auf Israel habe auch von größtenteils verfeindeten Spektren "große Einigkeit im Hass auf Israel" hervorgerufen. Zwischen Oktober 2023 und März 2024 wurden in Bayern 134 pro-palästinensische Versammlungen registriert, auf denen zum Teil auch das Existenzrecht des Staates Israel geleugnet wurde, berichtete der Minister.
An der Universität habe sich ein "Komitee" gebildet, das versuche, den Nahost-Konflikt auf eine reine pro-palästinensische Positionierung zu verengen. Das von der Hamas angerichtete Massaker werde verharmlost oder verleugnet. "Offenkundig setzt sich ein Großteil der Szene nur dann für Menschenrechte ein, wenn dies dem eigenen ideologischen Weltbild dient", sagte Herrmann.
Anders als im Syrien-Konflikt können fanatische Islamisten im Falle des Krieges im Gaza-Streifen nicht dort einreisen, um an Kampfhandlungen teilzunehmen. Daher besteht nach Ansicht der bayerischen Sicherheitsorgane die Gefahr, dass die Islamisten-Szene stattdessen Übergriffe auf israelische oder jüdische Repräsentanzen und Menschen planten.
Derzeit keine Anschlags-Pläne bekannt
Als derzeit besonders gefährlich gilt der afghanische "Islamischer Staat - Provinz Khorasan" (ISPK), dem auch die Verantwortung für das Attentat in Moskau zugerechnet wird. Im Fokus stünden vor allem Großereignisse wie Konzerte oder Großveranstaltungen, warnte Herrmann und versicherte, dass man dies auch beim Schutz der Fußball-Europameisterschaft in Rechnung stelle. Konkrete Hinweise auf geplante Anschläge lägen den Behörden derzeit nicht vor.
Der Verfassungsschutz registrierte 2023 in Bayern 720 aktive Salafisten. 15 Prozent davon gelten als "gewaltorientiert". Vor allem in München haben die Verfassungsschützer salafistisch geprägte Moscheen im Blick wie die "El-Salam"-Moschee, die "Taufiq"-Moschee und die "Imam Malik Moschee".
Verstärkt hat 2023 im Freistaat offenbar auch die rechtsextremistische Seite Personal und Aktivitäten. Der Verfassungsschutz gibt die Zahl der Szene-Angehörigen mit 2725 an. Der Zuwachs um 350 Personen sei im Wesentlichen auf Zulauf zur "Jungen Alternative" zurückzuführen, berichtete Herrmann.
AfD ist im Fokus des Verfassungsschutzes
Die Jugendorganisation der AfD gilt als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Seit 2022 wird die Gesamtpartei AfD vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet, allerdings nur extremistische Funktionäre und Mitglieder.
378 Straftaten wurden 2023 der linksextremistischen Szene zugerechnet (2022: 364), davon 49 Gewalttaten wie Brand- oder Sprengstoffdelikte (2022: 42). Das Potenzial an linksextremen Gewaltbereiten wird mit 880 Personen in etwa so hoch eingeschätzt wie im Vorjahr.