Eine Supermacht am Scheideweg: Und was jetzt, Amerika?
Es drohen zwei Jahre Blockade – mit negativen Konsequenzen für Weltwirtschaft, Klimaschutz, Regulierung der Finanzmarkt-Monster. Obama streckt die Hand aus, die Rechten ringen noch
WASHINGTON Eine Supermacht am Scheideweg: Inmitten der tiefen Krise droht den Vereingten Staaten von Amerika Stillstand, Blockade und Polarisierung – und das im wichtigsten Land der Welt, mit Folgen für alle Staaten der Erde. Die AZ analysiert, wie es weitergehen kann nach der Erdrutsch-Niederlage von Barack Obama.
Was kann Obama jetzt noch machen? Seine noch unvollendeten Projekte kann er begraben: Gegen die Republikaner-Mehrheit im Kongress werden sie nicht durchzukriegen sein. Das betrifft vor allem seine Klimapolitik (mit Konsequenzen für andere Länder) sowie eine Reform des Einwanderungsrechts. Im Gegenteil wird er zu kämpfen haben, Erreichtes zu verteidigen: Viele Republikaner wollen die Gesundheitsreform, ein Herzstück von Obamas Reformen, schleifen. Und er hat ihnen diesen Köder schon angeboten: Über die Reform könne man reden.
Was haben die Rechten vor? Ihre Forderungen widersprechen sich schon in sich: Gleichzeitig die Steuern
Wann kommt der erste Realitätscheck? Bald: Noch im November muss über zwei zentrale Punkte entschieden werden. Erstens muss beschlossen werden, ob die von Bush beschlosenen temporären Steuererleichterungen, die zum 1. Januar auslaufen, verlängert werden. Zweitens: Obama hatte wegen der Krise die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld von 26 auf 99 Wochen verlängert. Auch diese Regelung läuft nun aus – ohne sie verlieren zwei Millionen Arbeitslose und ihre Familien im Schnitt 1200 Dollar im Monat.
Wie sind die Machtverhältnisse? „Gridlock“, sagen die Amerikaner: Stau, Stillstand. Ein Gesetz muss Kongress und Senat passieren – in ersterem haben nun die Rechten die Mehrheit, in letzterem immer noch die Demokraten. Keiner kann ohne Zustimmung des anderen etwas beschließen – und dann gibt es noch das Vetorecht des Präsidenten. Andererseits steckt das Land noch tief in der Krise: Die Aussicht, dass zwei Jahre wegen gegenseitiger Blockaden gar nichts passiert, treibt vielen Experten und Ökonomen den Angstschweiß auf die Stirn.
Wie sind die Strategien? Obama hat seine Bereitschaft, in die Mitte zu rücken und Kompromisse zu schließen, bereits extrem deutlich signalisiert. „Keiner kann alleine diktieren, wie es von hier weitergeht. Das Volk will keine Hahnenkämpfe.“ Im rechten Lager zeichnen sich bereits die Konflikte ab: Die rechtspopulistische Tea-Party, immer noch leicht trunken vom Sieg, will eine Fundamentalopposition – Hauptsache, Obama fährt an die Wand. Gemäßigte Republikaner wie der neue Kongressführer John Boehner dagegen setzen auf Kooperation – er war 1994 Mitarbeiter von Newt Gingrich, der genau so eine Frontal-Opposition gegen Clinton fuhr. Es fiel auf die Republikaner selbst zurück, und Clinton gewann die nächste Wahl. tan
- Themen:
- Barack Obama
- Guido Westerwelle