Eine Fehlbesetzung

"Christan Wulff, das Schwarze Loch der Bundespolitik." Georg Thanscheidt, der Vize-Chefredakteur der AZ, über Wulffs Abschied von Bellevue.
von  Georg Thanscheidt

Ein Trauerspiel geht zu Ende: Mit einem Großen Zapfenstreich hat Christian Wulff Abschied von seinem Amt und seinem Amtssitz genommen. Das militärische Zeremoniell gehört zu den Gepflogenheiten, wenn ein Bundespräsident aus dem Amt scheidet. Genau so wie es zu den Gepflogenheiten gehört, dass der Präsident a. D. einen reichlich bemessenen Ehrensold bekommt und Mitarbeiter auf Staatskosten beschäftigen darf. Alles in Ordnung also?

Mitnichten. Wulff war eine Fehlbesetzung als Bundespräsident. Nicht wegen seiner inhaltlichen Positionen. Sondern wegen seiner charakterlichen Defizite, wenn es um die Abgrenzung zwischen dienstlichem Einfluss und privaten Vorteilen ging. Wulff war eine politische Singularität – sozusagen ein bundespolitisches Schwarzes Loch: Einen Bundespräsidenten, der mit 52 Jahren aus dem Amt scheidet, hatte der Gesetzgeber vor 60 Jahren nicht auf dem Schirm. Und dass er wegen des Verdachts der Vorteilannahme und nicht wegen umstürzlerischer Aktivitäten abtritt, auch nicht. Nun ist es an den Staatsanwälten, Licht in die Angelegenheit zu bringen – was bei Schwarzen Löchern physikalisch fast unmöglich ist, juristisch aber hoffentlich gelingen kann.

Beim Militär wird mit dem Zapfenstreich die Nachtruhe eingeläutet. Wulff mag mit dieser Zeremonie die Hoffnung verbinden, dass nun endlich Ruhe einkehrt – die Ermittler und der Bürger haben aber noch ein paar Fragen zum angeblich politisch begründeten Rücktritt vom Amt.

 

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